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Fucking Berlin

Fucking Berlin

Titel: Fucking Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Rossi
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Sturzbetrunkener zu mir kam, für anderthalb Stunden bezahlte und nur angezogen auf dem Bett lag, weil es ihm elendig ging und er sowieso nicht peilte, wo er war.
    »Komm mal her, Süße«, röchelte er und ließ den Arm in meine Richtung fallen.
    Ich setzte mich auf die Bettkante und harrte dort aus, ohne mich auszuziehen. Ich hielt die ganze Zeit bloß seine Hand, in seiner Hose tat sich nichts. Der Mann, schätzungsweise um die dreißig, trug einen Overall und dreckige No-Name-Turnschuhe. Er kam wahrscheinlich von der Arbeit und hatte ein paar Bierchen zu viel gekippt. Ständig versuchte er, an meine Brustwarzen ranzukommen, doch ich saß weit genug von ihm entfernt und bewegte mich keinen Zentimeter, und zum Protestieren war er zu schwach.
    »Wollen wir verlängern?«, fragte ich nach einer Weile, obwohl gerade vierzig Minuten um waren. Ich traute mich, weil ich wusste, dass Lorraine mit ihrer Ratte beim Tierarzt war. Normalerweise achtete sie nämlich, immer um den Ruf ihres Ladens bemüht, peinlich genau darauf, dass wir die Gäste nicht abzockten.
    Der Mann holte mit letzter Kraft hundertfünfzig Euro aus seiner Tasche, für eine »zweite« Stunde. Zwanzig Minuten später war ich ihn schon los, ohne irgendetwas gemacht zu haben. Ich musste ihm lediglich helfen, die Schuhe anzuziehen, weil er in seinem Zustand nicht mal die Schnürsenkel greifen konnte.
    Lena und ich freuten uns auf den letzten Tag bei »Schmidt«, der immer näherrückte. »Nur noch drei Tage in diesem Scheißknast«, sagte sie laut, als wir um neun Uhr morgens verschlafen in einem kleinen Café frühstückten. Der Kellner, ein Araber mit süddeutschem Akzent, schaute uns merkwürdig an. Er wunderte sich wahrscheinlich, warum wir kurz vor Weihnachten so genervt waren. »Ich halte dieses Kaff nicht mehr aus!«, rief Lena zum tausendsten Mal verzweifelt. Mit Blick auf Berlin war ihr Frust durchaus nachvollziehbar.
    »Mir geht hier auch vieles auf den Keks«, stimmte ich zu. »Und das Geschäft läuft nicht wirklich gut. Außerdem habe ich es satt, sechzehn Stunden am Tag rumzusitzen. Was meinst du: Wollen wir nicht einfach abhauen? Ich habe ein paar Puffs angerufen, die in der Zeitung inseriert haben. In München sind noch zwei Plätze frei diese Woche. Ein Laufhaus, hundert Euro Miete am Tag, der Rest ist unser.«
    In einem Laufhaus hatte ich noch nie gearbeitet. Es handelte sich dabei um ein Gebäude, bei dem unten die Tür offen stand und in jeder Wohnung mehrere Frauen saßen. Die Männer konnten einfach durchs Haus laufen und sich die Huren angucken, bevor sie eventuell eine auswählten. Dort zu stehen wie ein Stück Fleisch fand ich nicht gerade prickelnd, doch auf der anderen Seite schien es mir einträglicher als das, was sich hier in Freiburg tat.
    Wir beschlossen, in der folgenden Nacht zu türmen, während alle schliefen, um keinen Ärger mit Lorraine zu bekommen.Sie hätte sicherlich Theater gemacht, wenn sie gewusst hätte, dass wir ohne Vorwarnung den Laden verlassen wollten. Immerhin hatten wir fest vereinbart, dass wir zwei Wochen bei ihr arbeiten würden.
    Wir warteten also, bis alle Frauen im Bett waren, und wünschten allseits eine gute Nacht. Dann schmissen wir unsere Gegenstände in die Reisetaschen und schlichen auf Zehenspitzen in die frostige Novembernacht. Die Straßen waren menschenleer, wie in der Anfangsszene eines Horrorfilms, nicht mal Taxis gab es, und so mussten wir unser Gepäck zu Fuß zum Bahnhof schleppen.
    Trotz meiner Müdigkeit fand ich die Situation faszinierend. Nachts irgendwo ausbrechen, das Echo unserer Schritte auf dem Kopfsteinpflaster, die Mondsichel über uns – das alles gab mir, zum ersten Mal seit langem, ein Gefühl von Leichtigkeit und Abenteuer. Für einen Augenblick vergaß ich, dass ich nur eine einfache Nutte war, die gerade von einem Bordell ins nächste floh.
    Am Bahnhof tranken wir einen Kaffee. Außer uns war niemand im Wartebereich außer einem dicken Bahnangestellten, der sich auf die Bank neben uns setzte, die ganze Zeit gähnte und versuchte, uns in ein Gespräch zu verwickeln. Als frühmorgens der erste Zug Richtung München kam, stiegen wir ein, erschöpft und froh, Lorraine und ihr Irrenhaus hinter uns gelassen zu haben.
    »Auf Nimmerwiedersehen, Freiburg«, flüsterte Lena bereits im Halbschlaf, als die Wagen anfingen, langsam über die Gleise zu rollen. Auch ich schlief sofort ein.
    In München waren wir im Burger King am Hauptbahnhof mit Lars verabredet, dem Mann, mit dem

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