Fucking Berlin
denn früher war ich in einer neuen Umgebung immer erst mal ziemlich schüchtern gewesen. Doch durch die inzwischen jahrelange Tätigkeit im Puff hatte ich anscheinend Übung im Umgang mit Fremden bekommen.
Ausgerechnet von Rosenrot bekam ich Rückendeckung. Als einzige Deutsche hier hatte sie bisher niemanden gehabt, der für sie Partei ergriff, vermutlich suchte sie in mir eine Verbündete. Die anderen Frauen schwiegen betroffen und schauten auf den Boden. Dann meldete sich eine nach der anderen zu Wort und die Idee eines dauerhaften Friedens wurde allgemein für gut befunden. So schrieben wir kurz nach Mitternacht ein paar Regeln für das Zusammenleben auf einen Zettel, jede in ihrer Muttersprache und dann auf Deutsch. Das Blatt fixierten wir mit einem Magneten am Kühlschrank, so dass auch jede neue Kollegin es gleich lesen konnte. Es ging dabei um elementare Dinge wie »Frag erst mal, bevor du irgendwas isst, was nicht dir gehört« oder »Wasch ab, wenn du gekocht hast«. Das letzte Mal hatte ich so etwas in der Grundschule gemacht, erinnerte ich mich und musste lachen. Vielleicht war das eine gute Vorbereitung für mein Leben als Mutter.
Am nächsten Tag reiste Kolja ab, er fuhr nach Passau zu seiner ältesten Tochter. Er hatte sechs Kinder aus vier verschiedenen Beziehungen, wie er mir erzählte, das jüngste war gerade fünf Jahre alt. »Frauen sind so kompliziert, doch leider kann ich nicht die Finger von ihnen lassen«, seufzte er. Als ich ihm im Gegenzug sagte, dass ich schwanger war, umarmte er mich fest.
In Rosenheim war es nicht besser als in Freiburg oder München. Der größte Teil der Arbeitszeit bestand daraus, auf Freier zu warten. Um der Langeweile zu trotzen, tauschte ich mit den anderen Mädchen Bordellerfahrungen aus.
»Letzten Monat war ich in einem Club in Köln, da ist mir was Unglaubliches passiert«, erzählte eine der Polinnen. »Ein Typ wollte von mir eine dominante Nummer, aber auf Schläge und so was stand er gar nicht. Er sagte, ich sollte eine Rose besorgen.«
Alle schauten sie erwartungsvoll an.
»Wisst ihr was? Ich musste ihm die Blume in den Arsch stecken, den Stiel meine ich, mit Dornen und allem, so dass nur noch die Blüte hinten rausschaute. Damit ist er auf allen vieren durch den Barraum gelaufen – ›Ich bin eine Blumenvase!‹, hat er geschrien. Und er war nicht mal besoffen! Die Leute sind echt nicht mehr normal«, seufzte sie und drehte einen Eierkuchen in der Pfanne. Die anderen Frauen lachten und schüttelten den Kopf. Gleich darauf meldete sich eine der Tschechinnen zu Wort:
»Ich habe mal in einem Bordell in Kassel gearbeitet, da ist was noch Ekelhafteres passiert«, erzählte sie langsam. »Ein Mann hatte sich am Telefon informiert, ob es möglich sei, Kaviar zu bekommen. Die Chefin sagte aus Spaß, das würde tausend Euro kosten – sie hätte nie damit gerechnet, dass er tatsächlich kommen würde. Am nächsten Tag stand er aber wirklich vor der Tür: ein hübscher Mann in Anzug und Krawatte mit dem Körper eines Sportlers. Erst wollte keine der Frauen so etwas Widerliches machen. Am Ende konnte er aber mit viel Geld doch noch eine überzeugen. Sie musste sich nur auf sein Gesicht hocken und in seinen Mund kacken, er hat sie nicht mal angefasst. Sie war davon so schockiert, dass sie eine Woche lang nichts essen konnte. Die Puffmutter war auch fassungslos, obwohl sie seit dreißig Jahren im Milieu war.«
»Sorry, aber jetzt habe ich auch keinen Appetit mehr«, sagte Rosenrot und schob angewidert ihren Teller mit Piroggen zur Seite.
»Da wir ja eh schon bei den krassen Sachen sind: Wisst ihr von dem Unfall, der hier mal passiert ist?«, fragte Chantal aus Kuba, die einzige schwarze Frau im Laden.
»Hier im Puff?«, fragte ich.
»Ja, damals hat Evelyn, unsere Chefin, noch selber gearbeitet. Ein älterer Stammgast von ihr ließ sich immer mit gespreizten Beinen auf den gynäkologischen Stuhl fesseln, dann sollte sie ihm einen blasen. Dabei trug er einen Cowboyhut auf dem Kopf. Eines Tages hatte er gerade mal wieder abgespritzt, sie hatte sich bereits angezogen und das Zimmer verlassen. Nach ein paar Minuten kehrte sie zurück, da lag er immer noch in dem Stuhl, mit dem Gummi auf dem schlaffen Schwanz, und bewegte sich nicht. Der Typ war immer langsam gewesen und redete nie viel, doch als sie ihn schüttelte und keine Antwort bekam, bekam sie einen Riesenschrecken.«
»War er tot?«, fragte ich fassungslos. Chantal nickte.
»Evelyn ist durch den Laden
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