Fucking Berlin
gerannt und hat wie am Spieß geschrien. Die Story stand am nächsten Tag in der lokalen Zeitung – keine gute Werbung für den Laden«, sagte Chantal und zündete sich eine Fluppe an. »Die Ehefrau wollte den Puff verklagen, das war aber natürlich nicht möglich. Immerhin war er freiwillig hier und ein gewisses Risiko besteht in diesem Alter immer.«
»Besser so sterben als mit Schläuchen im Arm und vollgepumpt mit Morphium im Krankenhaus zu krepieren«, kommentierte eine der Russinnen.
Vielleicht gibt es doch einen Gott, dachte ich – schließlich war das hier ja mal ein Kloster gewesen.
Während ich im Rosenheimer Puff rumsaß, die eingehenden Anrufe beantwortete und die Gäste einließ, musste ich natürlich weiter an mein Studium denken. Eine Programmieraufgabe für die Statistik-Veranstaltung musste dringendfertig gemacht werden – zum Glück hatte ich meinen Laptop mitgebracht. Mühsam versuchte ich, etwas davon auf die Reihe zu kriegen, während das Telefon ununterbrochen klingelte, und so kam ich nicht wirklich weiter. Eines Abends bekam ich Stress, als ich mit einem Kommilitonen aus der Gruppe telefonierte.
»Die anderen haben ihren Teil längst fertig. Es geht nicht, dass wir nur wegen dir alles auf den letzten Drücker machen müssen«, sagte er verärgert.
Ich entschuldigte mich und versprach, noch am selben Abend meine Aufgabe per E-Mail zu schicken, wenigstens gab es in diesem Puff bereits W - LAN .
Ich wollte auf keinen Fall aus dieser Gruppe rausfliegen und verfluchte die Tatsache, dass ich schon wieder im Bordell war und mein Studium vernachlässigte. Nach der Tagesabrechnung um zwei Uhr nachts saß ich weitere zwei Stunden vor dem Rechner, während die Mädchen schon längst schliefen. Die ganze Situation kam mir absurd vor und ich stellte mir vor, was meine bürgerlichen Mitstudierenden gesagt hätten, wenn sie gewusst hätten, dass ich gerade in der Küche eines Puffs in Bayern hockte und versuchte, meinen Teil der Übungsaufgabe zu bewältigen.
Jeden Abend telefonierte ich mit Ladja, aber ich hatte ihm, wie schon bei meinen letzten Gastspielen, nicht viel zu erzählen. Mein einziger Kontakt zur hiesigen Außenwelt war der tägliche morgendliche Spaziergang durch die Bahnhofstraße.
»Ich sitze grade im ›California‹«, sagte er eines Tages am Telefon. Ich war nicht sauer, dass er wieder mal in der Kneipe war, sondern dachte wehmütig an Milan. Ich hatte mich vor meiner Abreise nicht von ihm verabschiedet und von meinem Kind wusste er auch noch nichts. Als Ladja aufgelegt hatte, wählte ich mit zitternden Händen MilansNummer. Er meldete sich erfreut. Wir quatschten eine Weile über das Wetter und über ein paar Bekanntschaften aus dem Kiez, doch dann kam das Thema auf mich. Widerwillig erklärte ich ihm, dass ich in Bayern war, um Kohle für meine neue Wohnung zu beschaffen. Er brachte keinen Ton raus, doch ich wusste, dass ihm das nicht gefiel. Er ermahnte mich von jeher, dass ich mich mehr auf das Studium konzentrieren sollte.
»Diesmal ist es wirklich das letzte Mal«, verkündete ich euphorisch.
»Das sagst du doch immer«, erwiderte er.
»Nein, diesmal ist es anders.« Ich machte eine lange Pause und atmete tief durch, dann endlich sagte ich meinem Liebhaber die Wahrheit. »Ich bin schwanger.«
Am anderen Ende der Leitung hörte ich das Klirren von Glas und Stimmen im Hintergrund, dann brach die Verbindung ab. Ich fragte mich, ob er absichtlich aufgelegt hatte und was ich ihm erzählen sollte, falls er mich zurückrufen würde.
»Der Typ ist doch ein Feigling. Er würde nie zu dir stehen, selbst wenn das Kind von ihm wäre«, sagte Rosenrot, die ich über meine Situation informiert hatte. Im Puff dauerte es nie lange, bis man voneinander Bescheid wusste. »Er will dich vögeln, weil du für ihn eine geile Braut bist, auf der anderen Seite möchte er aber seine behütete Familienwelt nicht aufgeben. Das musst du doch inzwischen gecheckt haben – du bist doch keine fünfzehn mehr!«
Ich nickte und trank still meinen Kräutertee weiter. Ich wusste, dass Rosenrot recht hatte. Auf der anderen Seite brauchte ich Milan, ich liebte ihn so sehr, dass ich ihn glücklich sehen wollte, selbst wenn das gegen meine Interessen war.
Als Milan mich kurz nach Mitternacht anrief, hatte ichdas, was ich ihm sagen wollte, schon tausendmal geübt. »Das Kind ist von Ladja«, erklärte ich. »Du brauchst dir keine Sorgen zu machen«, fügte ich hinzu, für den Fall, dass er mir nicht
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