Fuego, Andréa de
Mittagessen kannst du dich ausruhen.«
Júlia sah Leila durch flüssiges Licht, eine weitere Träne steckte in ihrem Augenwinkel.
»Und jetzt?«
»Du hast doch Ludéria, sie ist in Ordnung.«
Leila ging hinaus, Ludéria kam herein, wie einstudiert, es war ihr erstes Beisammensein. Ludéria nahm sich Obst, legte es in einen Korb und begann zu schnippeln. Kleine Würfel für den Nachtisch, darüber käme eine Creme.
»Du wirst mich schon noch mögen, man muss den mögen, den man hat.«
Júlia nahm die Äpfel. Sie schnitt kraftlos, die Klinge rutschte auf der polierten Oberfläche ab, fast wäre sie in ihre Pulsschlagader geglitten. Dolfina war nach den Französinnen die Frau gewesen, an der Júlia sich orientiert hatte, die sie hatte glauben lassen, dass ein Tag auf den anderen folgen würde. Ein Zusammenleben, das Routine schuf, eine Beständigkeit, die zwei Beine unter einem kraftlosen Oberkörper aus Mineralsalzen und schwachen Nerven aufrecht hielt. Ohne Dolfina fingen ihre Beine wieder zu wackeln an. Sie suchte die Schwäche der Ohnmacht, doch die kam nicht.
»Sieh mich an, Júlia.«
Júlia rührte sich nicht.
»Am Sonntag nehm ich dich mit in die Kirche, damit du wieder klar wirst im Kopf, ich kann nicht so gut reden, aber der Pfarrer schon.«
Schweiß traf am Hals auf zwei Tränen, das Bildnis der Jungfrau Maria neben dem Bleiglasfenster, eine Frau in Winterkleidung, ein Baby auf dem Arm, der Kopf bedeckt. Das andere, der heilige Judas mit dem sanften Blick eines Briefträgers. Die beiden Papierrollen wären gut zum Kartoffeleinwickeln, dachte sie.
Während ihrer Kindheit bei den Schwestern war sie gedrillt worden, Beine geschlossen beim Sitzen, ordentliche Tischmanieren, leise Stimme. Eine Marmorstatue im Park, deren Quelle beherrscht sprudelte. Leila beschnitt Júlia ebenfalls, sie wollte sehen, was für Früchte sie trug, wenn sie sie stets gestutzt hielt. Das Mädchen blutete bei jedem Schnitt, doch die Haut vernarbte geduldig, und das Chlorophyll brachte ihr die Ideen, wie sie die Welt erreichen könnte, unterschwellig wieder zurück.
16. Kapitel
CECILLE UNTERZEICHNETE PAPIERE, Marie nahm eine Tablette.
»Wir müssen es Antônio sagen.«
»Es ist noch zu früh.« Marie stieß ein Wasserglas um.
»Er wird von den Alten und von den Jungen abgelehnt, und schlimmer noch, auch von den Besuchern. Ein Zwerg. Er weiß bereits, dass er anders ist, wir sagen ihm nur den Namen der Krankheit.«
»Es ist keine Krankheit, es ist ein Schicksal wie jedes andere.« Marie betrachtete das Fenster und suchte nach Staub. »Ich erzähle es ihm.«
Antônio war in Maries Zimmer, das Gesicht in der großen Schublade vergraben, die Nase in den Unterröcken, die Hände in den Seidenstrümpfen, es waren ja französische Nonnen. Geraldina erreichte Antônios Hals und zwickte ihn, kleine Sprünge vollführend, in den Nacken, machte ihn wachsam. Marie ging an der Zimmertür vorbei, trat aber nicht ein. Sie lief den Flur entlang, der über eine Wendeltreppe in den Hof führte. Antônio stieg von seinem Hocker herab, schloss die Schublade und blieb hinter der Tür stehen. Er verspürte eine kleine Gänsehaut im Nacken. Dann öffnete er die Tür, blickte in beide Richtungen und stieg dieselbe Treppe hinab wie Marie. Er sah, wie sie einen der Jungen etwas fragte, worauf der den Kopf schüttelte. So ging es mit drei anderen. Zwei Türen weiter kam der Speisesaal, Antônio lief an der Wand entlang, ohne auf den Hof zu blicken, wollte dorthin zurück, wo er vorher gewesen war. Geschwind betrat er den Speisesaal, verließ ihn aber sofort wieder, wie jemand, der die ganze Zeit dort drin gewesen war und nun frische Luft schnappen wollte. Er traf auf Marie.
»Antônio, komm mal mit.«
»Jawohl, Senhora.« Er spürte ein Stechen auf einer Gesichtshälfte.
Erneut stieg er die Treppen hoch, derselbe Korridor, und schließlich das Zimmer. Cecille war nicht da, Marie setzte sich hinter den Schreibtisch und holte Unterlagen aus einer Schublade.
»Erinnerst du dich noch an die Untersuchungen, die wir durchgeführt haben?«
Antônio antwortete nicht, folgte ihren Händen, die ein weißes Blatt Papier aus einem grauen Umschlag zogen, das ärztliche Gutachten.
»Du wirst immer diese Größe behalten, bis du alt bist. Das Schicksal lässt sich nicht ändern. Aber den Kindern gehört das Himmelreich, vergiss das nicht, mein Sohn, deine Größe ist möglicherweise ein Zeichen für ein Kindsein, das nie aufhört.«
»Und wann kann ich
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