Fuego, Andréa de
die parfümierten Haare, nicht nur wegen der nächtlichen Kälte, sondern auch, damit sie nicht eingeräuchert wurden.
»Darf ich dich ansprechen?«, wagte Nico einen Vorstoß.
»Sprich doch einfach.« Sie grinste und sah Nico nicht an, wurde jedoch sofort ernst, als sie ihn schließlich anblickte.
»Wie heißt du?«
»Maria.«
»Ich heiße Nico.«
»Wer sind deine Eltern?«
»Ich wurde von Geraldo großgezogen, auf der Fazenda Rio Claro.«
»Und wo sind deine Mutter und dein Vater?«, wollte Maria wissen, die wieder lächelte, wenngleich sparsam.
»Sie wurden vom Blitz erschlagen.«
Marias Braten erkaltete auf dem Teller, sie hörte Nico zu, der sich öffnete und erstmals getröstet fühlte. Er erzählte, was er in den letzten elf Jahren gesehen und was er nicht gesehen hatte. Von der mütterlichen Zuneigung, die ihm Tizica, die alte Haushälterin, entgegenbrachte, bis zu Júlias Adoption durch eine ferne Familie.
»Deine Schwester ist jetzt reich«, schloss sie.
»Tizica hat nichts mehr von Júlia gehört, sie ist schon alt und fährt nicht mehr in die Stadt.«
Von der anderen Seite des Stands beobachtete der Dunkelhäutige Nico.
»Dieser hinterhältige Portugiese ist bestimmt mit ihr verwandt, sonst würde er nicht so mit ihr reden«, bemerkte er zu dem Kellner am Stand.
»Der ist mit Geraldos Timóteo gekommen, ist vom Gutshof. Verwandt, ach was, der Junge hat keine Familie.«
Der Dunkelhäutige trat auf die beiden zu und verabschiedete sich, den Hut ziehend, von Maria. Sie erwiderte den Gruß mit einem schwachen Winken.
11. Kapitel
NICO PFLÜCKTE DIE reifen Kaffeebohnen von den Zweigen und warf sie in den Strohkorb. Timóteo überwachte die Sandpisten der Kaffeeplantage. Die Tage gingen ins Land, langsam glitten die Stunden dahin, das Triebwerk der Zeit war geölt. Auch in Nico breitete sich eine Kraft aus. Maria hatte den Korken gelöst, der das Trauma unter Verschluss gehalten und verhindert hatte, dass es in der Sonne trocknete.
In dieser Zeit stellte Nico auch eine partielle Taubheit bei sich fest, eine Auswirkung des Donners. Selbst als Erwachsener kühlte er sich noch im Mondlicht ab, und wenn das Feuer in seinem Nacken brannte, ging er zu nächtlicher Stunde hinunter an den Fluss, der die Fazenda säumte, und legte sich bäuchlings ins feuchte Laub. Wie ein Baby, das Muttermilch einsaugt, absorbierte er das Licht, zur Stärkung der Wirbel, damit die Kalkfortsätze hart würden wie Edelholzstämme. Tizica wusste, wo der Junge herkam, wenn er mitten in der Nacht nach Hause zurückkehrte.
»Wenn das Geraldo erfährt …«
Im Geiste rief er Maria, und das Mädchen schlug anmutig die zarten Waden übereinander, er sah ihr majestätisches Profil. Sie schien von einem Königsgeschlecht abzustammen, die Hände ruhten sanft auf dem getüpfelten Kleid, kleine Punkte auf weißem Grund. Die Schuhe passend zu dem leinenen Kragen und den Bündchen. Sie war nicht reich, das bewies ihre Anwesenheit auf dem Bauernfest. Klein war sie, ein Pünktchen im Tal.
Eines Vormittags tauchte sie an der Pforte auf. Tizica empfing das siebzehnjährige Mädchen, stellte ihr ein Stück Kuchen und eine Tasse Kaffee hin.
»Nico kann erst in der Mittagspause. Bleib still hier sitzen, damit du niemand störst, ich mache inzwischen meine Arbeit.«
Maria setzte die Tiara, die ihr Haar zierte, auf und wieder ab, zweifelnd, ob sie sich krönen sollte oder nicht.
12. Kapitel
MIT ELF WAREN Antônios Arme und Beine kurz und dick. Die Kinder, die in die Klosterschule kamen, lachten, wenn er lief. Schwester Cecille verurteilte dieses kindliche Lachen, wenn sie es hinter dem Vorhang beobachtete. Seine Hüften wurden breiter, breiter als die Beine es aushalten konnten. Eine Brücke auf schwachen Pfeilern, die den Beinen ihre endgültige, gebogene Form gab. Er war schweigsam und verträumt, half lieber in der Küche als beim Saubermachen des Hofs, was Aufgabe der Jungen war. Er mochte die jungen Mädchen, und die wurden durch ihn nicht eingeschüchtert, da er keine Pubertät verströmte. Mit elf suchten andere Jungs Unterhöschen auf der Wäscheleine oder Röcke, die sich im Wind blähten, Antônio nicht. Seine Drüsen schienen noch zu schlafen, er betete Vaterunser und Ave-Marias, die Fingerkuppen zart, sonntags stimmte er den Rosenkranz an. Er liebte die Frisiertische der Schwestern, aber nicht, weil er selbst gern Frau gewesen wäre. Im Gegenteil, er sehnte sich danach, eine Frau zu haben, auf so selbstverständliche und
Weitere Kostenlose Bücher