Fuego, Andréa de
dahinter ist Land, wir schlafen hinterm Wasserfall. Tagsüber wandern wir hin und her, her und hin.«
Sie lachten das gleiche Lachen, hatten die gleichen Stimmbänder.
»Als das Meer auf eure Seite ging, hatten wir einen Fluss, Weideland, Vieh.«
»Timóteo müsste längst da sein«, seufzte Eneido.
»Das hat der doch nur gesagt, damit Nico die Fazenda, sein Leben aufgibt und hierherkommt.«
Nico schwieg, er hatte keine Antwort für Maria. Antônio machte einen Vorschlag.
»Wir kehren nach Hause zurück.«
Eneido stand auf.
»Das geht nicht mehr, das Meer steigt.«
Die alten Zwillinge verabschiedeten sich und verschwanden im Wald, Anésia und Onofre schliefen tief und fest. Maria, Nico und Antônio gähnten.
»In dem Essen muss irgendwas drin gewesen sein, das uns mutlos macht. Du glaubst auch wirklich an jedes Versprechen, Nico.«
68. Kapitel
GERALDINA UND GERALDO fielen, von Antônio weggeschleudert, ins Meer. Stundenlang trieben sie in dem nach oben offenen Hut, wie Beine in einem Bordell, die im Dunkeln aufblitzen.
Wenn eine Kerze abgebrannt ist, hat sie trotzdem noch Paraffin. Die beiden waren zwar aus demselben Stoff, und doch hatte Geraldo seine Individualität, sein Paraffin. Geraldina, der diese Zustandsveränderungen bereits vertraut waren, war weniger aufgeregt als ihr Sohn. Geraldos Zappeln, seine elektrische Unruhe, waren ihr unangenehm. Die Nähe zwischen Mutter und Sohn, die nur aufgrund der Blutsverwandtschaft zusammen waren, garantierte außerhalb der nötigen Anlässe keine Vereinigung. Eine unwürdige Begegnung, Geraldo hatte die falsche Richtung eingeschlagen, als er in Antônios Nacken auf die Mutter traf.
Geraldo entzog sich Geraldinas Einflusssphäre, und es war, als würden zwei Wolken aufeinanderprallen und Regen bringen, sich selbst zerstörend zugunsten anderer Aufgaben. Geraldina, geschwächt durch die wiedererlangte Autonomie, schlüpfte durch die Lücken im Strohgeflecht des Huts und tauchte ins Meer. Geraldo erhitzte sich in dem Stroh, das noch immer nach Antônios Kopf roch, nach einem Ort, wo Sprache fabriziert wird. Er wollte weitertreiben an irgendein Land, wo er aufgefangen oder der Hut von einem Fischer aufgesetzt würde.
69. Kapitel
MESSIAS WOLLTE DEN Sohn nicht, er war nicht von ihm. Ein Zwerg war nicht von ihm. In seiner Familie gab es keine Zwerge. Júlia wusste nicht, dass Antônio, ihr mittlerer Bruder, einer war, und auch nicht, dass ein Blitz daran schuld sein konnte. Sie sagte, in ihrer Familie gebe es auch keine Zwerge, was konnte sie dafür?
In derselben Woche tauchte ein großer Junge auf, Messias’ älterer Sohn, der beschlossen hatte, den Vater zu suchen. Messias hatte den Sohn zuletzt gesehen, als dieser rosig und bartlos gewesen war. Jetzt war er kräftig, konnte arbeiten, und in der Kraft des Jungen erkannte Messias seinen eigenen reifen Körper wieder, dieselben Gesichtszüge, dieselbe kahle Stelle an der Augenbraue. Die Ablehnung des neuen Sohnes verursachte ihm kaum Schuldgefühle, sie verflüchtigten sich mit der Aufnahme des anderen Sohnes, er glaubte, der Natur auf diese Weise nichts zu schulden, null zu null, sie waren quitt. Außerdem war dieser Junge groß, bereits erzogen, und der andere sprach ja noch nicht mal.
»Du kannst morgen gleich anfangen, ich hab Arbeit und ein Zimmer für dich«, sagte er zu dem Erstgeborenen.
Messias fasste das Baby nicht an, wandte sich weder mit Worten noch mit Blicken an Júlia. Sie war im Wochenbett, er musste sich nicht mit ihr über die Arbeit oder die Konfektion austauschen.
Júlia nahm das Kind und ging.
Busbahnhof. Der Mut zur Rückkehr, zum Zurückgehen. Sie würde nicht um Beachtung betteln, hatte nicht die Geduld zu warten, bis Messias irgendwann den Sohn annähme, der natürlich von ihm war. Sie gab nicht mal Ludéria Bescheid, die ihr Fehlen erst am Abend bemerkte.
»Tu das den beiden nicht an, Júlia ist noch ein Kind.«
»Ein Kind macht keine Kinder, Ludéria. Wenn du hinter ihr herlaufen willst, dann tu das, ich will keine Frau, die unter meinem Dach Ehebruch begeht.«
»Den anderen, der jetzt kam, hast du nicht aufgezogen, woher weißt du, dass er von dir ist?«
»Ich weiß, wann was von mir ist, er hat mein Gesicht, meine Größe.«
»Júlia ist bestimmt in der Kirche.«
»Sie ist bestimmt im Busbahnhof, glaubt, dass ich sie abhole.«
Ludéria traf Júlia in der Kirche nicht an, keine Spur von ihr in der Nachbarschaft, und auch nicht bei Leila, zu der sie in einer Anwandlung
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