Führe mich nicht in Versuchung
Knochenstücke in die Tasche.
Mit einem Seufzer strich sie dann über die Rüschen ihres gelben Musselinkleids. Sie hatte das Kleid extra für ihren Vater angezogen, denn sie fand sich darin besonders hübsch und wollte, dass er es bemerkte. Aber das war nicht geschehen. Sie hob geistesabwesend die Hand, packte ihren Vorderzahn zwischen Daumen und Zeigefinger und schob ihn vorsichtig vor und zurück. Er sollte endlich ausfallen, denn sonst würde Damien heute Abend eine Schnur darumbinden und ihn ausreißen. Allein bei dem Gedanken daran lief es ihr kalt den Rücken hinunter.
»Wissen Sie, wie lange Maxens Vater in Bassett House bleiben wird?« fragte Damien.
Jillian, die immer noch ihre Finger im Mund hatte, erstarrte. Maxens Vater kam nach Bassett House.
»Was haben deine Finger im Mund zu suchen?« erkundigte sich ihr Vater streng.
Jillian nahm schnell ihre Hand fort. »Nichts, Vater.«
»Du darfst dich entfernen.«
Jillian kletterte mit gesenktem Kopf vom Sofa hinunter. Der Magen wollte sich ihr schier umdrehen, weil ihr Vater sie wegschickte. »Auf Wiedersehen, Vater«, sagte sie und vollführte einen beinahe perfekten Knicks.
»Benimm dich, während ich fort bin«, sagte ihr Vater barsch.
»Ja, das werde ich«, erwiderte sie.
Damien berührte ihren Arm und lächelte ihr zu. »Warte an der Schaukel auf mich«, sagte er ruhig.
Die Bauchschmerzen ließen nach. Sie drehte sich um und rannte auf die Tür zu. Zu spät erst erinnerte sie sich an LadyLous Regel, im Haus niemals zu laufen, sondern nur zu gehen. Sie verharrte und warf einen Blick zurück. Bestimmt würde Vater ihr einen Verweis erteilen. Aber er unterhielt sich mit Damien über Max und den Herzog von Bassett. Sie schloss die Tür und spazierte den Gang entlang.
Maxens Vater kam nach Bassett House. Somit würde Max seine Schulferien nicht hier verbringen, und sie hätte ihren Bruder ganz für sich allein. Sie mochte Damiens besten Freund nicht besonders - hauptsächlich deshalb, weil er sie nicht mochte. Wenn er hier war, musste sie um die Aufmerksamkeit ihres Bruders kämpfen. Wenn Max und Damien sich nicht gerade irgendwo herumtrieben, lief Max hinter Damien und ihr her, obwohl er sich dann immer ein wenig abseits von ihnen hielt. Dabei hatte sie ihn noch nie wirklich unbeschwert erlebt. Er lachte wohl manchmal, aber da war immer ein gewisser Ausdruck in seinem Gesicht, der sie traurig stimmte.
Sie spazierte weiter, den kurzen Gang entlang und auf die Tür zu, die in den innersten Hof führte, und trat schließlich ins Sonnenlicht hinaus. Ihre Gedanken wanderten zur Schaukel. Vielleicht würde Damien sie heute hoch genug schubsen, dass sie den Himmel berühren konnte ...
Auf dem Steinmosaik des Hofes spielte sie eine Weile Himmel und Hölle, beobachtete ihre Füße und wackelte mit ihrer Zunge am Zahn herum. Dann hüpfte sie durch den Rosengarten und balancierte auf der niedrigen Gartenmauer.
»Sei vorsichtig«, ertönte eine tiefe, ärgerliche Stimme. Maxens Stimme.
Sie versuchte, die Balance zu halten. Zwei Hände schossen auf sie zu und packten sie an den Schultern. Sie rutschte von der Mauer und prallte mit der Nase gegen seine Schulter, wobei sie ihre Zunge unwillkürlich kräftig gegen den Zahn drückte. Der flog ihr aus dem Mund und landete auf dem Boden. Sie schnappte nach Luft und bedeckte schnell ihren Mund mit der Hand, um mögliches Blut aufzufangen. Gleichzeitig rieb sie sich über ihre schmerzende Nase.
Max hielt sie immer noch an den Schultern fest und blickte auf sie hinab. »Hast du dir wehgetan?«
Sie war so erschrocken über sein Auftauchen, dass sie nur den Kopf schütteln konnte. Warum war er hier? Damit würde er ihr den Geburtstag verderben.
»Nimm deine Hand da weg und lass mich einmal sehen«, befahl er mit sanfter Stimme.
Sie blickte ihn erstaunt an. Sie hatte nicht gewusst, dass er so nett wie Damien reden konnte. Sie senkte die Hand. Er ergriff ihr Kinn und hob ihr Gesicht in die Höhe.
Jillian blinzelte und ihr Mund klappte auf. Sie sah in seine Augen. Diese hatten dieselbe Farbe wie die Westbrook-Saphire, die ihr LadyLou einmal gezeigt hatte. Die hatten ihr mit all dem Gold um jeden Saphir so gut gefallen! In Kombination mit dem blonden Haar und den hellen Augenbrauen fielen ihr auch bei Max die Blau-und Goldtöne auf, und sie fand ihn sehr hübsch.
Da es nicht höflich war, zu starren, hatte sie ihn bisher nie richtig betrachtet. Aber da er jetzt schließlich auch starrte, dachte sie, dass es in
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