Führe mich nicht in Versuchung
eine und noch eine, bis sie zu einem schier endlosen Strom wurden und all ihre Hoffnung wie Blut aus einer tödlichen Wunde aus ihr herausfloss. »Es ist schon komisch, nicht wahr?« sagte sie mit einem erstickten Lachen. »Mein Bruder liebt mich zu sehr und mein Mann nicht genug. Aber wir alle besitzen unsere Ehre.«
Eine Welle des Entsetzens brach über Max herein, als er ihre Tränen erblickte. Seine Pandora, die niemals weinte, in Tränen aufgelöst! Das konnte nur bedeuten, dass sie aufgegeben hatte, ihn aufgegeben hatte und auch sich selbst. In diesem Moment schoss ein Bild durch seinen Kopf. Er erinnerte sich daran, wie Jillian als kleines Mädchen zwischen ihnen gesessen und die Geschichte von Pandora erzählt hatte, ihm gezeigt hatte, was es bedeutete, zu jemandem zu gehören, ihm bewußt machte, was Zufriedenheit war, ihn lehrte, dass Glück Stück für Stück heranwachsen muss.
»Nicht«, stieß er mit krächzender Stimme hervor. »Bitte nicht weinen, Pandora.« Er umfing ihr Kinn, bog ihren Kopf zurück und zwang sie, ihn anzublicken. »Ich liebe dich«, flüsterte er, schluckte und fand seine Stimme wieder. »Ich habe dich immer schon geliebt.«
»Ich weiß«, flüsterte sie, und die Tränen strömten ihr über das Gesicht.
Er zog sie näher an sich heran, umfing sie, wiegte sie sanft in seinen Armen und warf Damien einen Blick über ihre Schulter zu. »Ich werde sie mit nach Hause nehmen«, sagte er ruhig. »Mit oder ohne deinen brüderlichen Segen.«
Damien legte seinen Kopf zur Seite und blickte ihn mit zusammengekniffenen Augen an. »Und was-ist mit deiner Ehre, Max?«
»Wenn ich zwischen meiner Ehre und Jillian entscheiden muss, dann wähle ich Jillian.«
In weniger als einem Herzschlag entspannte sich Damiens Gesichtsausdruck und er lächelte. »Dann hast du auch meinen Segen.«
Das war alles? dachte Max wie betäubt. Keine Wut mehr und keine Bitterkeit? Keine Warnungen und Drohungen? Er öffnete den Mund und schloss ihn dann wieder. Er blickte zu Jillian hinab, aber sie hatte ihren Kopf abgewandt und starrte ihren Bruder erstaunt an.
»Ich musste sichergehen, dass er dich ebenso liebt, wie du ihn, Jillie«, sagte Damien einfach. »Ich musste sichergehen, dass er dich so sehr liebt, um all das zu opfern, was du geopfert hast - Stolz, Ehre, Familie.«
Max erkannte den Tonfall in Damiens Stimme. Damiens melancholisches Lächeln war Max nur allzu vertraut. Es war Ausdruck der ungewissen Frage, ob dies ein Abschied für immer war. Er wußte, dass Damien sich wie ein Eindringling fühlte, der dazu verdammt war, sein Dasein am Rande der Leben anderer zu verbringen.
Damien streckte die Hand aus. »Ich glaube, das hier gehört dir«, sagte er zu Max und hielt ihm den kleinen, hohlen Zahn zwischen Daumen und Zeigefinger hin.
Jillian stieß einen überraschten kleinen Schrei aus, als sie ihn sah, sagte aber nichts.
Max griff in seine Tasche, fand sie leer und erinnerte sich daran, dass er den Zahn bei Damiens Angriff in der Hand gehalten hatte. Offenbar war er zu Boden gefallen. Er lächelte und schüttelte den Kopf. »Behalte ihn als Erinnerung an den Tag, an dem du mich als Schwager akzeptiert hast, Damien.«
Damien schmunzelte, warf den Zahn in die Luft, fing ihn wieder auf und ließ ihn dann in seine Jackentasche gleiten. »Ein schlechter Handel, mein Freund, wenn ich bedenke, dass du dafür meine Schwester bekommen hast.«
»Nein, Damien. Du wirst immer eine Schwester haben, genauso wie ich immer meine Frau haben werde«, erwiderte Max mit belegter Stimme und unterwarf sich damit vollends der Wahrheit, gab seine letzten Zweifel und Ängste auf, wie ein Schwert, das man nach dem Kampf zur Seite legte.
Einen Kampf, den er gewonnen hatte.
»Endlich«, strahlte Jillian erleichtert, »endlich sind wir wieder eine Familie.«
Damien kam zu ihnen herüber und legte seine Arme um Max und Jillian. Lange Zeit standen sie so zusammen, ließen die Vergangenheit los und umarmten die Zukunft. »Wir waren die ganze Zeit über eine Familie, Jillie«, sagte Damien. »Wir waren nur nicht durch Blutsbande verbunden.«
»Das ist nun anders«, erwiderte Jillian mit leiser Stimme. »Das Kind, das ich unter dem Herzen trage, hat das Blut der Hastings und der Forbes in sich.«
Max hörte, was sie gesagt hatte und verstand es auch, aber dennoch benötigte er eine ganze Minute, ehe er vollkommen begriff, was ihre Worte zu bedeuten hatten. Irgendwie war er nicht überrascht. Wenn es um die Liebe ging, kannte
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