Fünf Brüder wie wir
im Kalender nachschauen?“, schlug Jean Drei vor.
„Nein“, sagte Mama. „Wenn es ein Mädchen wird, heißt es Helene.“
„Helene?“, riefen wir alle. „Schon wieder?“
Helene ist der Vorname, den ich bekommen hätte, wenn ich ein Mädchen geworden wäre. Und Jean Eins auch. Und Jean Drei und Jean Vier und Jean Fünf auch … Meine Eltern haben nicht viel Fantasie und deshalb fällt ihnen immer nur dieser eine Mädchenname ein.
Manchmal versuche ich mir auszumalen, was es wohl gegeben hätte, wenn wir alle Mädchen geworden wären. Fünfmal Helene! Eine mit Brille, die Nächste ein bisschen pummelig wie ich usw. Da wäre Papa heillos durcheinandergekommen.
„Helene! Lass Helene in Ruhe. Siehst du nicht, dass Helene schläft?“
Wahrscheinlich wäre ihm auch dann irgendein Trick eingefallen: Helene I ., Helene II ., Helene III ., IV ., V . – so eine Nummerierung wie für Päpste oder Könige.
„Es wird ganz bestimmt ein Mädchen“, verkündete Jean Eins. „Das sagt die Statistik. Und außerdem weiß doch jeder, dass Mädchen es immer fertigbringen, von allen gehätschelt und liebkost zu werden …“
„Jean Eins!“, sagte Mama streng. „Rede nicht schlecht über deine Schwester.“
„Sie ist auch meine Schwester!“, rief Jean Vier.
„Nein, meine!“, brüllte Jean Fünf.
Als wir an diesem Abend mit unseren Schäfchen zur Krippe vorrückten, musste ich an das sechste Gipsschaf denken, das es im nächsten Jahr dort geben würde: ein winziges neues Schäfchen. Ab dem 1. Advent würde es mit unseren um die Wette laufen und Heiligabend würde es ans Ziel kommen. Dicht an dicht mit den anderen würde es zwischen Ochs und Esel stehen.
Das Schäfchen von Helene I ., Königin aller Jeans. Meine einzige Schwester. Na ja, unsere einzige Schwester, die wir uns zu fünft teilen müssten.
Meiner Meinung nach würde der Ärger da erst noch anfangen.
In den Weihnachtsferien sind wir in die Berge gefahren.
„Eure Mutter braucht unbedingt einen Klimawechsel“, sagte Papa. „Für das Baby. Es benötigt viel Sauerstoff. Nichts ist für den Kreislauf besser als Höhenluft und die trockene Kälte der Gipfel. Das wird uns allen richtig guttun, ihr werdet schon sehen!“
Dazu muss man wissen, dass Papa Arzt ist. Uns konnten die Höhenluft und trockene Kälte der Gipfel gestohlen bleiben, erst recht, als Papa hinzufügte: „Und damit eins klar ist, Jungs: Das ist dieses Jahr das Geschenk für die ganze Familie. Der Weihnachtsmann entführt uns ins Gebirge. Habt ihr eine Ahnung, wie teuer das kommt, wenn man zu siebt ist …? Drum, Kopf hoch und freut euch gefälligst, sonst könnt ihr was erleben!“
Wer das Gesicht am meisten verzog, war Jean Eins. Aus dem Fernseher wurde auch diesmal nichts.
Jean Vier stieß einen Juchzer aus. „Kann ich da Schlitten fahren?“, fragte er.
Er wirkte als Einziger zufrieden.
„Ich werd mit dir gleich Schlitten fahren“, sagte Jean Eins. „Wenn es im Hotel keinen Fernseher gibt, dann können mir die blöden Ferien gestohlen bleiben!“
Ich habe einen ganz besonderen Wunschzettel für Weihnachten, nämlich eine Unwunschliste. Obendrüber steht: „Geschenke, die ich nicht will“.
Ich bringe sie jedes Jahr auf den neuesten Stand.
Ich schreibe alles auf, was ich keinesfalls geschenkt haben möchte, wie zum Beispiel die Krawatten, die wir immer von Oma Jeannette bekommen. Wenn wir Oma besuchen, zwingt Mama uns jedes Mal, sie umzubinden.
Geschenke, die ich nicht will:
- pädagogisch wertvolle Spiele, bei denen Jean Eins immer gewinnt, weil er schummelt.
- das Kinderlexikon in zwölf Bänden von Tante Lucie
- den ,,Koffer für den kleinen Chemiker“, den François Archampaut letztes Jahr bekommen hat, weil der nämlich nichts taugt.
- die Jugendzeitschrift unserer Pfarrgemeinde
Das Schlimme an solchen Geschenken ist, dass man überhaupt keinen Spaß daran hat und trotzdem so tun muss, als würde man sich ganz arg freuen, und bedanken muss man sich auch.
Ich hab zu der Liste noch hinzugefügt:
- Höhenluft und die trockene Kälte der Gipfel
Es war das erste Mal, dass wir in die Berge gefahren sind, deshalb mussten wir uns bei unseren Fougasse-Cousins alles zum Anziehen für den Schnee ausleihen. Für sieben Leute hat das so viel Gepäck gegeben, dass Mama, die sehr auf Ordnung hält, acht Tage lang richtig schlechte Laune hatte.
Schließlich standen wir in Anoraks und selbst gestrickten Skimützen am Bahnsteig, während Papa ein ums andere
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