Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe
so ein Theater gemacht, wenn ich was in der Küche gemacht hab, haben gesagt, wir sind dreckig. Abends gab’s für die Kinder und mich nur Brot mit Margarine, nichts Warmes … oh … spür meine Beine nicht und meine Arme auch nicht. Warum? Oh … oh! Das tut weh … mir geht’s gut, wenn ich weiß, dass die Kinder in Sicherheit sind … ich wollt ihnen sagen …«
Plötzlich wurde Mrs. Pigeon wieder schläfrig. Durch den Nebel konnte man kaum etwas sehen und allmählich wurde es dunkel. Die Teezeit war lang vorbei … Jem und Vi’let hatten Hunger … das Mädchen mit dem Blechhelm beugte sich über sie, sie sagte etwas zu ihr, sie schrie sie an, aber sie war so weit weg. Was kommandierte die hier rum … war nicht älter als Elsie, schrie sie an, sie sollte dies tun oder das tun. Es klang wie »Reden Sie weiter mit mir«, aber sie war es leid, immer angebrüllt zu werden … die Frau in ihrem ach so vornehmen Haus in Yorkshire schrie immer: »Dreckig! Wie dreckige Zigeuner!« Die Kinder waren so froh, als sie sagte, genug ist genug und heute fahren wir nach Hause … Würstchen! Da hatten sie Glück gehabt. Ihr Lieblingsessen. Würstchen …
Kurz darauf zog die Krankenwagenfahrerin ihre Hand aus der der Frau und fühlte ihren Puls. »Sie ist tot.« Sie deckte das graue Gesicht mit der Decke zu und half, die Trage von hinten in den Krankenwagen zu schieben, wo schon die beiden toten Kinder lagen. Kein Grund zur Eile. Sie setzte sich in die Trümmer und stützte den Kopf in die Hände. Die Frau vom Teestand brachte ihr einen Becher Tee. »Trinken Sie das, meine Liebe. Ist viel Zucker drin.«
»So geht’s jede verdammte Nacht«, murmelte der Luftschutzwart und blickte in die Ferne. Er spannte den Kiefer an und sah zu der jungen Frau aus dem Krankenwagen hinüber. Sie wird sich bald dran gewöhnen, dachte er. Es wurde schon wieder dunkel. Er betete, dass die Deutschen in dieser Nacht nicht wiederkommen würden, doch noch eindringlicher bat er Gott, er möge den Flakschützen helfen, die deutschen Flugzeuge samt und sonders vom Himmel zu holen, und der RAF helfen, jede einzelne Stadt in Deutschland und jeden einzelnen Deutschen darin in Grund und Boden zu bombardieren.
»He, was ist das denn?«, murmelte sein Kumpel. Er stand in dem Loch, aus dem sie die Frau herausgezogen hatten. In der Hand hielt er etwas, das in Zeitungspapier eingewickelt war. Er öffnete es vorsichtig. »Himmel! Würstchen! Bisschen staubig, aber … warum sollte man die verkommen lassen?« Er ließ sie in seine Tasche gleiten.
Die Krankenwagenfahrerin beobachtete ihn. Dann dankte sie der Frau am Teestand höflich und schaffte es, ein dünnes Lächeln zustande zu bringen. »Mir geht’s gut. Muss weiterarbeiten.« Sie trank ihren Tee, dann versuchte sie aufzustehen, sank in die Knie und übergab sich.
20
Crowmarsh Priors,
Dezember 1941
Es war eine ernste und verängstigte Gemeinde, die sich in Crowmarsh Priors zum Frühgottesdienst einfand. Am vorangegangenen Sonntag hatte Japan den amerikanischen Flottenstützpunkt in Pearl Harbor bombardiert und vier Tage später hatte Deutschland Amerika den Krieg erklärt.
Die Kirche war bis auf den letzten Platz besetzt. Olivers Gesicht sah grau und spitz aus, als hätte er eine ganze Woche nicht geschlafen. In der Nacht waren wieder deutsche Bomber über das Dorf geflogen. Über London und Birmingham hatte es heftige Bombardements gegeben, viele Zivilisten waren ums Leben gekommen. Das Gerücht machte die Runde, dass deutsche Flieger mit Fallschirmen in ländlichen Gegenden abgesprungen waren und sich nun bis zur Invasion versteckt hielten. Alles schien möglich. Es fühlte sich an, als sei das Ende der Welt gekommen.
Seitdem Elsie das Telegramm mit der Nachricht vom Tod ihrer Mutter und ihrer Geschwister Jem und Violet bekommen hatte, war sie grimmig und wortkarg und ihre Augen waren rot geweint vor Trauer. Sie hatte aufgeheult wie ein Tier, hatte die Deutschen verflucht und sich geweigert, sich trösten zu lassen. Selbst Bernie konnte nichts ausrichten und Oliver war so vernünftig, ihr nicht mit religiösen Plattitüden zu kommen. Nun saß Elsie mit starremGesicht in der Kirche, Frances auf ihrer einen und Evangeline auf ihrer anderen Seite. Beide Frauen hielten eine ihrer Hände umklammert. Maude, Tommy und Kipper saßen auf Evangelines anderer Seite. Maude und Tommy hatten behauptet, ihre Eltern seien Dissenter, daher würden sie nicht in die Kirche gehen, doch
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