Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe
unsicher …«
Sir Leander schüttelte den Kopf. »Er hat mir erzählt, was du zu ihm gesagt hast, und ich habe ihn in dem Glauben – in der Hoffnung – bestärkt, dass du irgendwann einlenkst. Weißt du, junge Frauen glauben oft eine Menge Geschwätz über Romantik und über große Gefühle und so weiter, aber das hat alles kein Fundament, meine Liebe, überhaupt kein Fundament. Natürlich mag Hugo dich sehr gern, doch in diesen unruhigen Zeiten müssen junge Leute, vor allem in einer so alten Familie wie der unseren, nach vorn blicken. Wenn es um eine gewisse Stellung in der Gesellschaft geht, um den Fortbestand einer alten, ehrenvollen Familie …«
Sir Leander war stets freundlich zu Frances gewesen und hatte ein beinahe väterliches Interesse an ihr an den Tag gelegt. Er war ihr gegenüber immer besonders aufmerksam und zuvorkommend, auch wenn andere, höhergestellte Frauen zugegen waren. Frances mochte ihn wirklich gern, doch nun starrte sie auf ihren Schoß,fühlte sich unbehaglich und wünschte, sie würde einen alten Mann nicht unglücklich machen. Plötzlich blickte sie auf und sah, dass Sir Leanders Gebaren trotz seiner Gebrechlichkeit hochmütig und gekränkt wirkte. Er sah sie eindringlich an. Oh je.
»Ich meine es gut mit dir, meine Liebe, ich spreche gewissermaßen
in loco parentis
. Wahrscheinlich hatte dein Vater zu viel zu tun, um … ähm. Ich möchte dich jedoch daran erinnern, dass du durch deine Heirat mit Hugo die Herrin eines ansehnlichen Anwesens wärst und nach meinem Tod den Titel Lady de Balfort tragen würdest. Du würdest in den Stand eintreten, für den alle Frauen bestimmt sind – den Stand der Ehe und Mutterschaft – und zu den erhabensten Schichten unserer Gesellschaft gehören. Dein Vater ist damit vollkommen einverstanden. Seine und meine Anwälte haben sich schon über Eheverträge unterhalten. Verzeih mir meine Direktheit, aber wenn du das Gefühl hast, dass du mit Hugo einigermaßen glücklich werden kannst, würde ich euch gern verheiratet sehen, bevor ich sterbe, und noch lieber würde ich wissen, dass ein Erbe unterwegs ist, der die Zukunft des Anwesens sichert.«
Das schlug dem Fass nun wirklich den Boden aus! Frances starrte mit unbewegter Miene in ihr Glas. In diesem Moment hätte sie alle Anwälte dieser Welt mit dem größten Vergnügen mit ihren bloßen Händen erwürgt.
Sir Leander fuhr fort: »Der Admiral hat keine Zeit, lang um den heißen Brei herumzureden. Er hat mir von irgendwelchen Flausen berichtet, die du offenbar im Kopf hattest – dass du für den
Geheim
dienst arbeiten wolltest oder so etwas.« Er lachte glucksend, als wäre allein die Idee schon grotesk. »Das stimmt doch sicher nicht, oder? Wir sind beide der Meinung, dass das wohl kaum eine Aufgabe für eine junge Frau ist, und er hat mir versichert, dass er dem Ganzen einen Riegel vorgeschoben hat.«
Frances schäumte vor Wut.
»Überleg es dir, meine Liebe. Nun, wenn du deinen Sherry ausgetrunken hast … Meine Köchin hat uns auf der Wärmeplatte auf der Anrichte etwas zu essen hingestellt – wahrscheinlich etwasganz Grässliches, bei all diesen Rationierungen. Aber wir sollten es trotzdem essen. Ich schaff das schon, vielen Dank.«
Er fuhr mit seinem Rollstuhl voraus.
In dem lang gestreckten dunklen Esszimmer mit den Familienporträts an den Wänden war der polierte Tisch für zwei gedeckt, mit altem Limoges-Geschirr und Silberbesteck, das zwar beschlagen, aber mit einem Wappen versehen war. Auf einem Spiritusbrenner dampfte etwas. Es roch tatsächlich ziemlich schrecklich. Frances nahm die Teller und häufte bräunliche Klumpen mit einer dünnen Bratensoße darauf. Dazu gab es schlaffen gekochten Kohl und Möhren.
»Corned-Beef-Frikadellen, nehme ich an«, murmelte Sir Leander. »Versprich mir eins: Wenn du dir die Sache mit Hugo anders überlegst und die Hausherrin von Gracecourt wirst, dann stellst du eine Haushälterin ein, die etwas von einfacher Küche versteht.«
In ihrer Verzweiflung würzte Frances alles großzügig mit Senf.
»Zum Glück«, fügte ihr Gastgeber mit einem Lächeln hinzu und nahm eine staubige Flasche in die Hand, die geöffnet an seinem Platz stand, damit der Wein atmen konnte, »haben wir noch ein paar Flaschen Burgunder im Keller – schon lang vor dem Krieg eingelagert. Ich dachte eigentlich, wir würden damit heute auf eure Verlobung anstoßen, aber da das nicht der Fall ist, wird er uns zumindest helfen, diese Travestie einer
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