Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe
Sofa kuscheln. Sie wollte sehen, wie er auf dem Bahnsteig mit langen Schritten auf sie zukam, die Arme ausbreitete und sie hochhob und sich nicht darum scherte, dass Albert Hawthorne zusah. Sie wollte über das Baby reden, das sie erwarteten … sie wollte weglaufen. In ihr Leben zurücklaufen.
Als der Tanz zu Ende war, schnappte sich Evangeline ihre Handtasche und tat genau das, ohne sich noch einmal umzusehen.Laurent klatschte und rief »Zugabe!« Und dann zog der Musiker, dessen Bruder zusammen mit Glenn Miller spielte, Laurent auf die Bühne. Sie wusste, dass es eine ganze Weile dauern würde, bis er merkte, dass sie nicht mehr da war.
28
Crowmarsh Priors,
Juli 1942
Die Hochzeit, die an diesem sonnigen Nachmittag stattfinden sollte, war für die Leute im Dorf eine willkommene Ablenkung von den Schrecken des Krieges. Die meisten jungen Männer waren eingezogen worden, Richard Fairfax lag halb tot im Krankenhaus, die deutsche Invasion stand kurz bevor und die frischen Gräber auf dem Friedhof führten Crowmarsh Priors nur allzu deutlich vor Augen, dass Krieg herrschte.
Heute jedoch waren alle in der Kirche, hatten ihre besten Kleider angezogen und warteten, wie es bei solchen Gelegenheiten üblich ist, gut gelaunt und voller Vorfreude auf die Ankunft der Braut. Es störte niemanden, dass sie sich verspätete; alle genossen das seltene Gefühl von Normalität. Die Leute wandten sich ihren Banknachbarn zu und sagten Sätze, die man bei diesen Anlässen immer sagte. Nichts Wichtiges oder Tiefschürfendes, sondern ganz normale Dinge, beruhigende Banalitäten und abgedroschene Phrasen, die zu einem solchen Ereignis passten.
So flüsterte Nell Hawthorne der Frau des Metzgers, die neben ihr saß, zu: »Ich sag ja immer, eine Hochzeit ist eine Hochzeit und junge Leute sind junge Leute, Krieg hin oder her. Man wünscht ihnen alles Gute und auch wenn er im Grunde seines Herzens einguter Junge ist, so muss man bei ihm doch achtgeben, dass er nicht vom rechten Weg abkommt. Sie wird ihm guttun.«
Die Metzgersfrau nickte zustimmend. »Das erinnert einen an die eigene Hochzeit, nicht wahr?«, sagte sie flüsternd.
Überall in den Bankreihen führten die Leute ähnliche Unterhaltungen und die Hüte der Damen wippten auf und ab, wenn sie sich umsahen und die Dekoration bewunderten. Die alte Kirche sah wunderschön aus. Alice, Frances und Evangeline hatten im Morgengrauen Arme voller Blumen, Gräser und Zweige angeschleppt, die sie von den letzten Blumenbeeten und auf den umliegenden Wiesen geschnitten hatten, um den Kirchenraum damit zu schmücken. Nun standen zwei prachtvolle Vasen aus Limoges-Porzellan, die ehedem Lady Marchmont gehört hatten, auf dem Altar und quollen schier über von Jasmin, Rosen und Efeu, während Kristallkrüge voller Wiesenkerbel und Geißblatt die tiefen Fensternischen ausfüllten und den Kirchenraum in eine süß duftende Laube aus Grün und Weiß verwandelten. Tanni hatte zerschlissene Laken in Streifen geschnitten und daraus Schleifen gemacht, die sie am Ende der Kirchenbankreihen befestigte. In jeder Schleife steckten etwas Schleierkraut und Efeu.
Zur Überraschung der Dorfbewohner war es Nell Hawthorne mit viel Schmeichelei gelungen, Mrs. Osbourne ans Harmonium zu bekommen. Zu Lebzeiten ihres Mannes hatte sie die Trauungen begleitet, die er abhielt. Heute hatte sie sich einen mit Federn geschmückten Hut aufgesetzt, den sie schon jahrelang nicht mehr hervorgeholt hatte, und wartete darauf, dass Oliver ihr das Zeichen für den Hochzeitsmarsch gab. In der Zwischenzeit spielte sie immer wieder »Jesus bleibet meine Freude«, ihr Lieblingsstück. Die staubigen Federn auf ihrem Hut bebten, als sie sich voller Inbrunst in die Musik stürzte und verschiedene Tonlagen ausprobierte.
Margaret Rose Hawthorne saß neben ihrer Mutter und zitterte vor Spannung. Hochzeiten waren ja so aufregend! Eines Tages, hatte ihre Mutter gesagt, würde sie an der Reihe sein. Margaret Rose hatte Tanni eine weiße Schleife abgebettelt und sie Shirley Temple um den massiven Hals gebunden. Das Schwein war denDorfbewohnern so ans Herz gewachsen, dass sie es nicht über sich gebracht hatten, es zu schlachten, doch Nell Hawthorne erlaubte ihrer Tochter trotzdem nicht, das Tier am Tor zum Friedhof festzubinden.
Oliver stand in seinem Priestergewand am Altar und reckte den Hals, um zu sehen, ob Elsie und ihre Brautjungfern schon am Kirchenportal angekommen waren. Bernie zappelte ungeduldig vor ihm herum und hoffte
Weitere Kostenlose Bücher