Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe
tauschen und ihre Frisur richten.
Zwei Stunden später sah sie so glamourös aus wie am Abend zuvor. Den Griff der Reisetasche hielt sie fest umklammert, als sie in das rauchige Zwielicht des »Coach and Horses« trat. Einen Moment lang blieb sie im Eingang stehen und warf mit dramatischer Geste ihr Haar nach hinten. Wie auf Kommando drehten alle Männer den Kopf nach ihr und der Colonel stolzierte selbstgefällig auf sie zu, bevor einer der anderen Männer ihm zuvorkommen konnte. »Ah, ma chère, Mees Falconlee!« Er legte ihr besitzergreifend einen Arm um die Taille und führte sie zu einem Tisch.
Frances setzte sich und schenkte ihm dabei ein kurzes ermutigendes Lächeln. Sie versuchte, seine Stimmung einzuschätzen.Der Colonel bestellte Wein, bot ihr eine Zigarette an und lehnte sich dann galant vor, um sie für sie anzuzünden. Frances ließ ihre Hand auf seiner ruhen, so als wollte sie sie stützen, und zog sie dann mit einer beinahe zärtlichen Bewegung weg. Als sie sich mit der Zungenspitze ein Tabakfädchen von der Lippe leckte, ging der Atem des Colonels rascher. Das hier würde ein Katz-und-Maus-Spiel werden und sie musste sorgfältig abwägen, wie weit sie mit ihrer Flirterei kommen würde und an welchem Punkt sie ihm den Schmuck zeigen sollte, mit dem sie die Résistance bezahlen wollten. Sie überlegte besorgt, was passieren würde, wenn der Colonel sie schließlich »überredete«, als Teil ihrer Abmachung mit ihm nach oben zu gehen. Sie würde alles versuchen, um ihn betrunken zu machen, doch wenn es hart auf hart kam, waren ihr die Lektionen der Shanghaier Polizei noch deutlich in Erinnerung. Sie hoffte, sie würde sie nicht brauchen.
Zur gleichen Zeit stieg Evangeline fünf U-Bahn-Stationen weiter nördlich in der Nähe des Krankenhauses die Stufen zur Straße hoch. Am Eingang zur U-Bahn-Station saß ein einarmiger Mann und verkaufte kleine Körbchen mit Erdbeeren. Sie kaufte eines für Richard: Blumen konnte er nicht sehen, aber Erdbeeren konnte er schmecken. Er war in einen Seitenflügel des Krankenhauses verlegt worden und bei ihren wöchentlichen Besuchen saß Evangeline an seinem Bett, las ihm vor, strich seine Laken glatt, gab ihm schluckweise zu trinken und erzählte ihm die neuesten Nachrichten aus Crowmarsh Priors. Doch egal, was sie tat: Richard lag vollkommen passiv da und zeigte keinerlei Reaktion.
»Der Schock«, versicherten die Krankenschwestern ihr. Die meiste Zeit schlief er. Dann saß Evangeline schweigend da und überlegte, was sie tun sollte. Ein Arzt im Krankenhaus hatte sie gerade untersucht und bestätigt, dass ihre Übelkeit und das Schwindelgefühl von ihrer Schwangerschaft herrührten. Als sie ihn fragte, wie weit sie in der Schwangerschaft sei, wurde er ärgerlich. »Wie lang ist es her, dass Sie das letzte Mal Ihre Periode hatten?«, rief er. »Sie brauchen doch nur rückwärts zu rechnen!«
Evangeline kaute auf ihrer Unterlippe. Sie wusste nicht mehr, ob sie ihre Periode vor oder nach ihrer letzten Begegnung mit Laurent gehabt hatte. Ohne etwas von ihrem Dilemma zu ahnen, empfahl ihr der Arzt, Richard vorerst nichts zu sagen, sondern zu warten, bis sich sein Zustand weiter gebessert hatte.
Sie hatte Frances überredet, erst am nächsten Tag wieder nach Hause zu fahren, denn Laurent würde heute Abend in London sein. Und so schwer es ihr auch fiel: Evangeline wusste, dass sie ihn sehen musste, vielleicht zum letzten Mal. Er war ihr Cousin, ihre einzige Verbindung zu ihrer alten Heimat und ihrer Familie und sie hatte ihn so lang – und unter so großen Gefahren – geliebt, dass die Erkenntnis, dass sie ihn nicht mehr liebte, ein Schock und gleichzeitig eine Befreiung gewesen war. Trotzdem sorgte sie sich um seine Sicherheit, wenn er zwischen England und Frankreich hin- und herfuhr. Und sie war sich nicht sicher, ob sie ihm von dem Baby erzählen sollte. Er würde schrecklich wütend sein, doch wenn das Baby ganz eindeutig farbig war …
Nein, sie würde ihm nichts sagen. Wenn das Baby tatsächlich eindeutig farbig war, dann konnte sie auf Laurent nicht zählen.
Später saßen Evangeline und Laurent in einem schlecht beleuchteten Café in Soho, tranken Bier und aßen das Tagesgericht: falscher Entenbraten. »Das schmeckt so wie eine Ente schmecken würde, wenn sie aus Kartoffeln und alten Rüben gemacht wäre«, sagte Laurent. »Schrecklich. In Paris gibt’s allerdings noch weniger zu essen.« Er sah anders aus – dünner und älter; er war kein Junge
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