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Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe

Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe

Titel: Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Bryan
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Bitte, sag nichts.«
    »Ich kann schweigen«, sagte Evangeline. »Du glaubst ja gar nicht, wie gut ich schweigen kann.«
    »Wenn du meine Freundin bist, dann behalte es für dich, und bitte stell mir keine Fragen. Doch wenn mir etwas zustoßen sollte – wenn mir eine Bombe auf den Kopf fällt oder so – versprich mir, dass du dich um Oliver kümmerst. Er hat, ich meine, er hat mal erwähnt, dass er Probleme mit dem Herzen hat. Man sieht es ihm nicht an, aber es ist so.«
    »Ich verspreche es.«
    »Kommt es dir auch so vor, als würde dieser Krieg schon ewig dauern?«

32
    West-London,
    August 1944
    Von Anfang an hatte Alice versucht, diesen Tag irgendwie in den Griff zu bekommen, doch allmählich beschlich sie das Gefühl, dass ihre Bemühungen aussichtslos waren. Sie war schon schlecht gelaunt aufgewacht und das graue, feuchte und viel zu kühle Wetter hatte daran nichts geändert. Sie hatte sich überhaupt nicht richtig konzentrieren können, so als würde sich die Luft schwer und lähmend auf alle ihre Gedanken und Bewegungen legen. Sie fühlte sich reizbar und sehnte sich danach, irgendwo zu sein, wo es nicht kalt, dunkel, schmutzig und gefährlich war. Sie wünschte sich an einen Ort, an dem die Sonne schien und wo sie ein richtiges Bad nehmen konnte, statt sich in einem Badezimmer mit kaputtem Fenster hastig am Wasserhahn zu waschen.
    Nun war dieser Tag fast vorbei – und der morgige würde sicherlich genauso trostlos werden. Sie konzentrierte sich darauf, Kekse in akkuraten Kreisen auf eine gesprungene Servierplatte zu legen. Sie rückte die Teetassen gerade, wartete darauf, dass das Wasser in dem großen Behälter heiß wurde und fragte sich zum x-ten Mal, warum sie sich hatte breitschlagen lassen, schon wieder bei einem geselligen Beisammensein in der Kirche auszuhelfen. Sie hasste diese Abende eigentlich, vor allem, wenn sie erschöpft war und lieber zu Bett gehen würde. Nie wieder, schwor sie sich.
    Plötzlich zischte eine der gefürchteten V2-Raketen über die Kirche hinweg. Das unheilvolle Geräusch übertönte das Grammofon, die Unterhaltungen verstummten und die Menschen im Gemeindesaal erstarrten. Es hatte keine Warnungen, keine Sirenen gegeben und sie hatten keine Zeit, zum Luftschutzraum zu laufen. Solang man das Geräusch hören konnte, war es nicht so schlimm. Wenn man es nicht hörte, dann wurde es gefährlich, weil das bedeutete, dass die Rakete unmittelbar über einem war.
    »Alle unter die Tische!«, rief Alice im selben Moment, als sie den Einschlag hörten. Die nächste Rakete schlug ganz in der Nähe ein, offenbar war sie für die Paddington Station bestimmt. Bei der dritten verstummte das Geräusch plötzlich. Sie ließ mit einem dumpfen Schlag das halbe Dach einstürzen und die Lichter verlöschen. Alice kauerte sich zusammen, schloss die Augen und sah in Gedanken wieder den kleinen Jungen vor sich, der gestern nach einem direkten Treffer tot auf der Straße gelegen hatte. Sie hatte ihn auf den Arm genommen und die Nachbarn, die wie betäubt herumstanden, gefragt, wer er sei. Niemand wusste etwas. Sie hatte sich ihre Erschütterung natürlich nicht anmerken lassen. Sie schob den kleinen Körper in einen Krankenwagen und fuhr dann fort, um fassungslosen Überlebenden, die nun kein Zuhause mehr hatten, den Weg zu provisorischen Unterkünften und warmem Essen zu weisen.
    Als der Angriff schließlich vorbei war, war der Gemeindesaal voller Putzbrocken, Scherben und Menschen, die sich gegenseitig aufhalfen und fragten, ob alles in Ordnung sei. Irgendjemand knipste eine Taschenlampe an. Der Heißwasserkanister war umgekippt und lag, umgeben von zerbrochenen Tassen, in einer Wasserpfütze. Die Vorhangschienen und die Verdunkelungsvorhänge baumelten schief vor den zersplitterten Fenstern und sie konnten die Suchscheinwerfer am Himmel sehen. »Schalten Sie die Taschenlampe aus!«, befahl jemand und der winzige Lichtstrahl erlosch.
    Alice fühlte sich schlapp, ihr Hals war rau vor Staub, sie würgte und schnappte mühsam nach Luft. Irgendwie hatte der großeamerikanische Flieger, der sich vorhin mit dem Pfarrer unterhalten hatte, ihr einen Arm um die Schultern gelegt und versuchte, ihr aufzuhelfen. Doch Alice war sich nicht sicher, ob ihre Beine nicht unter ihr nachgeben würden. Sie fühlte sich so schwach, dass sie sich am liebsten zu Boden sinken lassen wollte. In ihren Augen brannten Tränen. Nicht weinen, ermahnte sie sich streng. Für die WVS gehörte es sich einfach nicht,

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