Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe
Zwillingsschwestern in einem Internierungslager in Frankreich verloren hatte. Ihre Unfähigkeit, sich an Rebecca zu erinnern, war im Grunde ein Segen, sagte er. Sie brauchten sich keine Sorgen zu machen.
Nach diesem Anruf hatten sowohl Alice als auch Elsie den Hörer mit einer Mischung aus Erleichterung und Schuldgefühl aufgelegt. Wenn Tanni sich nicht an diese Zeit erinnerte, dann hatte sie auch keine Erinnerung an ihren Plan, Lili und Klara zu retten, oder daran, dass die Mädchen in der Nacht in dem Tunnel sein sollten, als die Bombe fiel. Auch das war ein Segen, mehr, als Bruno bewusst war. Da er nie von ihrer Rettungsaktion erfahrenhatte, war es sinnlos, ihm zu erzählen, dass die Mädchen nicht in Frankreich gestorben waren. Und nun war es unmöglich, ihm das zu erklären.
Alice hoffte, dass Evangeline keine unbedachte Bemerkung machen würde. »Evangeline, du hast Frances als Letzte von uns gesehen«, sagte Alice schnell, bevor Evangeline mit einer Bemerkung über Rebecca herausplatzte.
Die Kirschen auf ihrem Hut hüpften auf und ab, als Evangeline nickte. »Das war kurz nach dem Brand auf Gracecourt Hall. Wahrscheinlich wollte sie den Zug nach London erwischen, weil sie normal gekleidet war, jedenfalls trug sie nicht die Uniform der landwirtschaftlichen Helferinnen. Sie winkte, als sie am Haus vorbeikam. Daran erinnnere ich mich so deutlich, als wäre es gestern gewesen. Ich habe das nie irgendjemandem erzählt, aber ich habe ihr ein Versprechen gegeben, für den Fall, dass ihr irgendetwas zustoßen sollte … Aber ihr kanntet Frances ja, man konnte sich gar nicht vorstellen, dass ihr etwas zustieß, und ich habe immer damit gerechnet, dass sie wieder auftaucht. Was ich ihr versprochen habe, erzähle ich euch gleich. Jetzt ist erst mal Elsie an der Reihe.«
Elsie setzte ihren Bericht fort. »Vor ein paar Jahren, als es Bernie mit der Chemotherapie so schlecht ging, hab ich ihm immer aus der Zeitung vorgelesen. Und eines Tages fand ich das hier in einem Artikel über Frankreich im Zweiten Weltkrieg.« Sie griff in ihre Aktenmappe, holte ein Zeitungsfoto hervor und breitete es auf einem kleinen Tisch aus. »Erkennt ihr jemanden?« Die Bildunterschrift lautete: »Nicht identifiziertes Foto der französischen Résistance aus Kriegszeiten.« Die anderen drängten sich um den Tisch.
»Wer ist das? Von diesen Leuten habe ich noch nie jemanden gesehen«, sagte Evangeline kurze Zeit später.
»Ich auch nicht, glaube ich«, sagte Alice, die ihre Brille aufgesetzt hatte.
Doch Tanni rief »Ja!« und zeigte auf eine Frau mit Kopftuch und groben Schuhen. Sie sprach mit jemandem, der nicht auf dem Foto zu sehen war, offensichtlich ohne den Fotografen wahrzunehmen.
Die anderen schauten noch einmal genauer hin und atmeten plötzlich scharf ein. »Sie sieht ein bisschen wie Frances aus, würde ich sagen, aber …«
»Ich bin ganz sicher, dass sie es ist. Ganz bestimmt.«
»Das ist Frances. Ich würde sie überall erkennen«, sagte Tanni bestimmt, »aber seht doch: Sie ist schwanger. Seht genau hin.«
Sie sahen einander an. »Was um alles in der Welt hat sie in Frankreich gemacht? Und wer könnte der Vater des Babys sein?«, fragte Alice. »Irgendein Franzose?«
Evangeline schüttelte den Kopf und die Kirschen purzelten wild durcheinander. »Nein, nein, das hat mit dem zu tun, was ich euch erzählen wollte, ich glaube nämlich, es war …«
Der Pfarrer klopfte an die Tür. »Meine Damen? Alles in Ordnung bei Ihnen?«
»Alles wunderbar, danke! Wir legen noch ein bisschen die Füße hoch«, brüllte Elsie zurück. Dann senkte sie die Stimme. »Keine Ahnung, wer der Vater war. Aber eins nach dem anderen. Bernie hat sofort einen weiteren Detektiv angeheuert. Es war das erste Mal, dass er sich für irgendwas interessiert hat, seit ihn das Schatzamt in Rente geschickt hatte. Sogar gesundheitlich ging es ihm eine Weile besser. Der Detektiv fand heraus, dass das Foto wahrscheinlich zum Ende des Jahres 1944 aufgenommen wurde, vermutlich in der Nähe der französischen Ostgrenze zu Deutschland.«
»Aber wie ist sie da bloß hingekommen? Schließlich war Krieg!«
»Ich weiß! Bernie und ich haben uns das immer und immer wieder gefragt. Hat uns nächtelang beschäftigt. Dann hatte Bernie eine Idee. Er lud einen alten Kumpel aus dem Schatzamt zum Abendessen ein, der im Krieg beim militärischen Geheimdienst war. Dann schüttete er ihn mit so viel teurem Wein zu, dass ein Elefant drin hätte ertrinken können. Und dann
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