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Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe

Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe

Titel: Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Bryan
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nach. Das Mädchen hing an dem Pfarrer wie eine Klette.
    Er wandte sich wieder der Zeitung zu, die nach wie vor aufgeschlagen auf seinem Tisch lag, und sah sich die Fotos noch einmal an. Tatsächlich, sie war die Tochter von Admiral Tudor Falconleigh. Ein ganz hohes Tier in Whitehall.
    Albert schüttelte den Kopf und widmete sich wieder dem Leitartikel. Als er fertig war, fragte er sich, was aus diesem Land noch werden sollte.
    Eine interessante Besucherin für Lady Marchmont, dachte er.

6
    London,
    August 1939
    Als Tanni und Bruno an einem grauen Januarmorgen in Southampton ankamen, hatten sie sich alle Mühe gegeben, die Spuren der langen Reise so gut es ging zu beseitigen, doch sie merkten gleich, dass sie auf die Beamtin der Einwanderungsbehörde alles andere als einen günstigen Eindruck machten. Sie war kalt und streng gewesen und hatte ihre Papiere und Pässe so eingehend studiert, als wären sie gefälscht. Schließlich schnaubte sie missbilligend und reichte ihnen einige in großen Buchstaben gedruckte Broschüren in englischer Sprache. Mit dem Zeigefinger tippte sie auf eine davon und sagte dann in abgehackter, präziser Sprechweise und ein wenig lauter als nötig: »Sie sind jetzt in England. Egal, wie Sie sich dort verhalten haben, wo Sie herkommen, raten wir Ihnen dringend, sich sogleich den Gepflogenheiten Ihres Gastlandes anzupassen. Wir haben eine Liste von Dingen zusammengestellt, die Sie tun oder lassen sollten, um sich hier einzufügen. ›Engländer‹«, las sie vor, »›sind von Natur aus reserviert und bleiben unter sich.‹«
    Sie mochten es nicht, fuhr sie fort, wenn Ausländer, vor allem Flüchtlinge, sich auffallend kleideten oder seltsame Trachten trugen. Sie sollten alles unterlassen, was auf sie aufmerksam machen könnte. Sie sollten sich normal kleiden, sich bescheiden, höflichund unaufdringlich verhalten, sich nicht beschweren und nichts an dem Land kritisieren, das sie so großmütig aufnahm. Vor allem sollten sie sich nicht vordrängen und Arbeitsstellen zu bekommen versuchen, um die Ortsansässige sich bemühten. Tanni und Bruno mussten alles daran setzen, sich unauffällig anzupassen und immer daran denken, dankbar zu sein. »Ich hoffe, Professor«, sagte sie dünn, »Sie wissen, wie glücklich Sie sich schätzen können, hier zu sein.«
    Tanni war müde und benommen. Seit Monaten waren sie unter-wegs, in überfüllten Zügen, mit langen Wartezeiten, während Papiere und Passierscheine ausgestellt wurden, auf die dann noch mehr überfüllte Züge und noch längere Wartezeiten folgten, um Stempel auf Dokumente zu bekommen. Hinter ihnen lagen lange Wege, die sie zu Fuß zurückgelegt hatten, und schließlich die stürmische Überfahrt über den Ärmelkanal. Sie verstand nicht alles, was die Frau sagte, doch ihr feindseliger Tonfall war nicht zu überhören. Sie warf Bruno einen Blick zu, dann nickte sie ergeben. Sie konnte sehen, dass er seine Wut darüber, wie sie behandelt wurden, verbarg.
    Er legte beruhigend den Arm um Tannis Schultern. »Meine Frau ist sehr müde«, sagte er und flüsterte ihr dann gerade laut genug, dass die Frau es hören konnte, auf Englisch zu: »Alles wird gut.«
    »Nun, Mrs. Zayman, dort hinüber zur medizinischen Untersuchung«, blaffte die Frau. Sie untersuchten nicht alle Neuankömmlinge, nur die, die besonders schlecht aussahen. Zum Glück war ein Arzt zur Stelle, der sie heute noch begutachten konnte. Wenn das Mädchen, diese sogenannte Frau des Professors, Tuberkulose oder irgendeine andere ausländische Krankheit hatte, würde man sie in Quarantäne stecken. »Gehen Sie dort drüben hin«, kommandierte die Frau und zeigte auf einen durch Vorhänge abgeteilten Bereich, wo bereits mehrere blass aussehende Frauen warteten.
    Zwei Stunden später tauchte Tanni erhitzt und verwirrt hinter dem Vorhang auf. Bruno, der auf einer Bank gewartet hatte, stand auf.
    »Bruno«, flüsterte Tanni auf Deutsch, »der Arzt sagt, ich erwarte ein Baby.«
    Fassungslos starrte er sie an. Ihre Unterlippe zitterte.
    »Bruno, ein Baby! Ich will zu meiner Mutter! Ich weiß nicht, was ich tun soll!« Tannis Augen blickten groß und ängstlich. Bruno sah rasch zu der Frau von der Einwanderungsbehörde hinüber, doch sie belehrte gerade mit weithin hörbarer Stimme einen weiteren Neuankömmling und hatte nicht mitbekommen, dass Tanni Deutsch gesprochen hatte.
    »Mach dir keine Sorgen. Unsere Mütter werden bald hier sein«, flüsterte er. »Wir werden uns alle um dich

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