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Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe

Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe

Titel: Fuenf Frauen, der Krieg und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Bryan
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Deutschen begonnen haben, diejenigen, die kein Ausreisevisum besitzen, an die polnische Grenze umzusiedeln. Wir haben unsere Ausreisevisa und warten nur darauf, dass die Mädchen zuerst fahren. Mittlerweile müssen wir einen gelben Stern an unserer Kleidung tragen, selbst Lili und Klara, und dürfen nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr auf die Straße. Manchmal werden Leute festgenommen.
               
Wir sehnen uns danach, hier wegzukommen. Die Leute stehen nun Tag und Nacht nach Ausreisevisa an. Papa, Frau Zayman und ich haben unsere mit Hilfe des Bürgermeisters bekommen und werden nachkommen, wenn die Kleinen sicher auf dem Weg zu euch sind. Sie hätten im Januar mit einem Kinderzug nach England fahren sollen, aber im letzten Moment haben beide schlimmen Scharlach bekommen und am Ende haben wir nicht gewagt, sie fahren zu lassen. Wegen des Fiebers mussten wir ihnen die Haare abschneiden. Es hat lang gedauert, bis Lili wieder gesund wurde, und wir haben überlegt, Klara allein vorauszuschicken, dachten dann aber, dass wir das besser nicht tun. Man hat Papa versprochen, dass sie bald in einem anderen Zug einen Platz bekommen.
               
Sie sagen, es ist viel sicherer, wenn die Kinder ohne uns fahren, weil die Kindertransporte ganz bestimmt durchkommen. Ich muss sagen, dass mir das nicht gefällt. Ich konnte es kaum ertragen, dich gehen zu lassen, obwohl Bruno da war, der sich um dich kümmert, und der Gedanke, von Lili und Klara getrennt zu sein, auch wenn es nur für ein paar Wochen ist, ist beinahe zu viel für mich. Nur der Gedanke, dass sie bald bei dir sein werden, lässt mich ruhig und vernünftig sein. Wir warten jeden Tag auf die Nachricht, dass ihr Zug bereit ist. Lilis und Klaras kleine Koffer sind fertig gepackt und stehen griffbereit im Flur. In jedem Koffer ist sogar eine Lieblingspuppe, die wir retten konnten. Frau Zayman hat einen ihrer alten Mäntel zerschnitten und ihnen daraus warme Morgenmäntel für England gemacht. Ich schärfe Klara jeden Tag ein, dass sie, wenn die Zeit gekommen ist, ein tapferes und liebes Mädchen sein muss, wie ihre große Schwester. Auf der Reise muss sie für ihre Schwester Lili eine gute kleine Mutter sein, bis sie sicher bei dir angekommen sind. Die Mädchen sind so aufgeregt und glücklich bei dem Gedanken, dich endlich wiederzusehen. Sie vermissen dich schrecklich. Sie fragen, ob ihr in England genug zu essen habt, und ich sage ihnen, dass ich das ganz bestimmt glaube. Lebensmittel sind hier knapp und oft haben sie Hunger. Wir haben Mühe, für das Wenige zu bezahlen, was wir finden können, meist Brot von gestern und alte Kartoffeln, manchmal ein paar Kohlblätter. Die meisten Ladenbesitzer verkaufen keine Lebensmittel an Juden. Kürzlich traf ich Frau Anna. Sie ist dünn geworden, wie fast jeder, und hat uns mit einem Gesichtsausdruck angesehen, der mir gar nicht gefallen hat. Ich bin froh, wenn wir fahren. Papa, Frau Zayman und ich sind bereit, wir haben unsere Siebensachen gepackt, ein bisschen Geld und ein paar Schmuckstücke, die ich mitnehmen konnte. Wir fahren los, sobald die Mädchen unterwegs sind.
               
Das Blatt ist nun fast voll, es ist nur noch Platz für unsere Segenswünsche und lieben Grüße. Alles Gute und sorge dich nicht, wir werden bald alle glücklich und zufrieden in England sein. Versuche, bis dahin tapfer zu sein. Wir schicken dir ein Foto,das Frau Zaymans Nachbar freundlicherweise gemacht hat, er hatte einen Fotoapparat. Er hat dieses eine letzte Bild gemacht, bevor er ihn zusammen mit den Geräten für das Entwickeln verkauft hat, um Lebensmittel kaufen zu können. Die Mädchen schicken dir außerdem ein kleines Bild, damit du sie nicht vergisst. Klara hat eine Nachricht für dich geschrieben, Papa musste nur ein klein wenig helfen. Alles Liebe, mein Schatz
               
Mutti
    Ein verwackelter Schnappschuss flatterte zu Boden. Er zeigte ein Paar mit zwei kleinen Mädchen mit geschorenen Köpfen auf dem Schoß und eine abgehärmte ältere Frau. Das Bild war in einen zweiten dünnen Papierbogen eingewickelt. Im ersten Moment dachte Tanni, sie hätten nicht das richtige Foto geschickt, doch als sie es sich genau ansah, erkannte sie in den hageren Gesichtern des Paars die vertrauten Züge ihrer Eltern, in den Kindern mit den kleinen kahlen Köpfen ihre Schwestern und in der älteren Frau Frau Zayman. Ihr Anblick versetzte ihr einen Schock. Dann sah sie, dass auf dem dünnen Papier, in

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