Fünf Freunde Auf Großer Fahrt
statt dessen ein Schinkenbrot essen soll. Auf eines der beiden muß ich verzichten«, seufzte Anne.
»Das ist eine schwere Entscheidung«, antwortete Dick.
»Augenblicklich beschäftige ich mich mit demselben Problem. Ich will aber lieber doch mit Schinken weitermachen - wir können ja noch mehr davon bekommen. Sind wir nicht ein bißchen gefräßig? Aber was soll man schon tun, wenn man so hungrig ist!«
»Ihr habt noch mit keinem Wort erzählt, was ihr letzte Nacht erlebt habt«, erinnerte Julian und reichte mit großzügiger Geste den Schinken weiter.
»Jetzt, mit vollem Magen, seid ihr doch hoffentlich imstande, mir genau zu erklären, warum ihr meine Anweisungen nicht befolgt habt und nicht dorthin gegangen seid, wohin ihr solltet.«
»Du sprichst wie ein Lehrer in der Schule, lieber Julian!
Aus einem einfachen Grunde. Wir haben uns verirrt. Und als wir schließlich doch zu einem Haus gekommen waren, dachten wir, es sei das richtige und blieben über Nacht dort.«
»Schön, aber warum haben euch die Leute nicht gesagt, daß ihr nicht im Blauweiherhof seid? Dann hättet ihr uns doch verständigen können! Habt ihr euch nicht gedacht, daß wir uns um euch Sorgen machen werden?«
»Die Frau dort war stocktaub«, erklärte Anne.
»Sie verstand nicht ein einziges Wort. Wir dachten, daß wir im Blauweiherhof sind, deshalb blieben wir dort - obgleich es ein schreckliches Haus war. Wir machten uns um euch Sorgen, weil ihr nicht gekommen seid!«
»Das war Pech!« meinte Julian. »Aber Ende gut, alles gut!«
»Das sagt sich leicht«, rief Dick.
»Aber es ging uns gar nicht so gut, Julian! Die arme Anne mußte auf dem Dachboden schlafen, ich in einer Scheune im Stroh. Glaube nicht, daß mir das etwas ausgemacht hätte, aber es haben sich dort heute nacht merkwürdige Dinge zugetragen.
Aber vielleicht habe ich alles nur geträumt!«
»Was für merkwürdige Dinge?« fragte Julian sofort.
»Das erzähle ich dir später, bis wir wandern«, antwortete Dick.
»Wenn ich mich jetzt bei Tageslicht daran erinnere, glaube ich wirklich, daß alles nur ein dummer Traum gewesen ist!«
»Du hast mir kein Wort davon erzählt!« rief Anne überrascht.
»Ehrlich gesagt, ich habe es ganz vergessen, weil andere Dinge dazwischengekommen sind«, erwiderte Dick.
»Zum Beispiel die Flucht vor dem Mann, das Wiedersehen mit Julian und Georg - und der große Hunger.«
»Ihr Ärmsten, ihr müßt ja eine schreckliche Nacht verbracht haben!« bedauerte sie Georg. »Bei dem strömenden Regen gestern abend war es gewiß schwierig, den Weg zu finden!«
»Und wie!« rief Anne.
»Aber am meisten habe ich mich vor den Glocken gefürchtet.
Habt ihr sie auch gehört? Das war ein Heidenlärm! Warum haben sie denn geläutet?«
»Das wißt ihr nicht?« fragte Julian.
»Frau Karsten hat uns erklärt, daß das die Gefängnisglocken sind.
Sie läuten jedesmal Sturm, wenn ein Gefangener entsprungen ist! Sie warnen die Leute: Paßt auf, seid auf der Hut, ein Häftling ist entkommen, schließt eure Türen fest zu, schützt eure Familien!«
Anne blickte sprachlos auf Julian. Deshalb also hatten die Glocken so laut und lang geläutet. Gänsehaut lief ihr über den Rücken.
»Gott sei Dank habe ich das gestern nicht gewußt«, rief sie.
»Ich hätte bestimmt nicht allein auf dem Dachboden geschlafen! Haben sie ihn erwischt?«
»Das weiß ich nicht, wir können aber die Wirtin fragen.« Die Frau schüttelte den Kopf.
»Nein, noch nicht. Aber sie kriegen ihn noch! Alle Straßen im Moor sind bewacht. Der Häftling ist ein Einbrecher, er schlug jeden nieder, der ihm entgegentrat. Ein gefährlicher Bursche!«
»Julian, wollen wir trotzdem durchs Moor wandern?
Vielleicht hat sich der Räuber dort versteckt!« meinte Anne ängstlich.
»Tim ist mit uns«, beruhigte sie Julian.
»Er ist kräftig genug, uns vor drei Räubern zu beschützen, falls es notwendig wäre! Hab keine Angst!«
Endlich waren sie mit ihrem Frühstück zu Ende. Selbst die halbverhungerte Anne konnte den Rest ihres Brotes nicht mehr aufessen.
»Mit meinem vollen Bauch kann ich keinen Schritt machen!«
»Jetzt wird nicht gefaulenzt, wir müssen weiter«, sagte Julian und stand auf.
»Vorher aber will ich noch ein paar Brote für den Weg einkaufen.« Die Wirtin freute sich, daß es den Kindern so gut bei ihr geschmeckt hatte. Sie gab ihnen noch etwas Proviant mit auf den Weg und winkte ihnen zum Abschied.
»Kommt nur wieder, wann immer ihr wollt! Ich habe stets etwas Gutes
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