Fünf Freunde und das Burgverlies
kommen, die nur eines im Sinn haben: unsere alten Schätze aufzukaufen nämlich.«
»Von uns erfahren sie bestimmt nichts!« versprachen die beiden Mädchen sofort. Doch Herr Funstein ließ sich nicht erweichen.
»Nur eines will ich euch verraten. Da jeder es sehen kann, ist es kein Geheimnis. Habt ihr die alte Tür gesehen, die von der Küche in den Wirtschaftshof hinausführt?«
»Meinen Sie die Eichentür mit den Eisenbeschlägen?« fragte Anne. »Solche Türen sind jetzt sehr modern als Eingangstüren an Einfamilienhäusern. Ist diese Tür denn wirklich echt und alt?«
Herr Funstein stützte den Kopf in die Hände und stöhnte, als hätte er Schmerzen. »Modern! Modern! Was wird noch alles modern werden? Ihr könnt doch nicht diese herrliche alte Tür mit den billigen Nachahmungen verwechseln! Könnt ihr nicht fühlen, dass die Tür echt ist -Jahrhunderte alt - und einst an großen Angeln in einer Burg hing?«
»Ja«, sagte Anne ziemlich kleinlaut. »Es ist sehr dunkel dort an der Tür, man kann sie wirklich nicht deutlich sehen.«
»Ach ja - die Jugend heute geht mit geschlossenen Augen durch die Welt«, seufzte Herr Funstein. »Seht euch die Tür an und denkt dabei an das alte Normannenvolk, das durch dieses Tor schritt vor langer, langer Zeit.«
Georg brummte. Altertum und alles, was dazugehörte, das langweilte sie - bis ihr plötzlich ein Gedanke kam.
»Herr Funstein - wenn die Burg aus Stein gebaut war, wie konnte sie dann bis auf die Grundmauern abbrennen? Was geschah da?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Herr Funstein traurig. »Ich war in allen Bibliotheken im Land und habe jedes Buch über jene Zeit durchgeblättert und das Kirchenbuch von Funstein von Anfang an gelesen, und ich weiß jetzt, dass Feinde einen nächtlichen Überfall auf die Burg machten und innen in der Burg Verräter waren, die zur gleichen Zeit ein Feuer legten. Die Burg soll völlig ausgebrannt und die Mauern dann eingestürzt sein. Die Besatzung wurde getötet, nur die Burgherrin konnte sich und die Kinder retten. Sie soll in der alten Kapelle Zuflucht gesucht haben, wahrscheinlich durch einen geheimen unterirdischen Gang. Das ist alles, was ich herausfinden konnte.«
»Eine alte Kapelle? Ist sie auch abgebrannt?« fragte Anne. »Oder steht sie noch?«
»Ja, sie steht noch«, sagte Herr Funstein. »Urgroßvater wird sie euch zeigen.« Er wiegte betrübt den Kopf hin und her. »Heute ist es ein Lagerhaus für Getreide. Traurig, traurig. Aber es ist noch immer eine heilige Stätte.« Herr Funstein starrte träumend vor sich hin. »Ja, ja, Kinder. Geschichte und Geschichten. Und ich werde euch noch etwas erzählen: Die Burg hatte Keller und unterirdische Verliese, in die das Feuer nicht eindringen konnte, weil der letzte Boden nicht Holz, sondern festgestampfte Erde war. Sind sie noch erhalten? Unberührt? Das ist es, worüber ich all die Jahre nachgrüble. Was war in jenen Kellern - und ist es noch dort?« Die Stimme des alten Mannes klang hohl, fast furchterregend.
Doch Georg schüttelte die Beklemmung, die sie dabei beschlichen hatte, schnell wieder ab. »Warum hat man die Keller nie freigelegt?« fragte sie: »Irgend jemand muss doch an sie gedacht haben.«
»Nun, die eingestürzten Mauern hatten jeden Zugang nach unten verschüttet«, erklärte Herr Funstein. »Und die Steine und Mauerbrocken waren wahrscheinlich zu groß, um sie fortzuwälzen. Vielleicht hatten die Leute aus der Umgebung auch zu große Furcht, es zu tun. Als Wind und Wetter die Steine nach vielen Jahrzehnten schließlich zerbrachen und die Leute sie wegholten und Feldmauern und Brunnen damit bauten, war das, was darunter lag, völlig in Vergessenheit geraten.« Wieder machte Herr Funstein eine Pause und hing still seinen Gedanken nach. »Was mag dort unter der Erde liegen? Gebeine von Gefangenen? Kisten voll Gold? Alter Hausrat? Es ist ein Geheimnis und wird eines bleiben.«
Der alte Mann war völlig in die Vergangenheit eingesponnen, und auch Anne träumte von Burgtürmen und Fahnen und Feuer und Feinden, bis sie sich schließlich davon los riss und in die Wirklichkeit zurückkehrte.
»Kennt dieser Amerikaner, Herr Henning, die Geschichte?« fragte sie den alten Mann.
»Nicht vollständig. Nur das, was im Dorf davon bekannt ist«, antwortete er. »Er versucht fast täglich, mehr aus mir herauszubekommen. Aber ich kenne ihn! Er würde den ganzen Hof kaufen, nur um den Platz zu erwerben, wo die Burg stand. Ihr werdet ihm nicht erzählen, was ich
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