Fünf Freunde und ein Zigeunermädchen
schon ähnlich genug. »Wie ist es eigentlich, kannst du jetzt lesen und schreiben?«
»Beinahe.« Jo nickte und sah zur Seite. Sie fand den Unterricht sehr schwierig, denn sie hatte noch niemals vorher eine Schule besucht. Aber dann sah sie wieder mit strahlenden Augen von einem zum anderen. »Darf ich bei euch bleiben?
Meine Pflegemutter würde es bestimmt erlauben, wenn sie wüßte, daß ich mit euch zusammen bin.«
»Du hast also nicht gesagt, wohin du gegangen bist«, grinste Dick und schüttelte den Kopf. »Das war nicht richtig.«
»Ich habe gar nicht daran gedacht. Schreib du ihr eine Karte für mich, ja?«
»Das tu du nur selber«, sagte Georg. »Du kannst doch jetzt schreiben.«
Doch es schien, als habe Jo diese Bemerkung nicht gehört.
»Ich darf doch bei euch bleiben?« fragte sie wieder. »Ich schlafe unter Annes und Georgs Wagen. Früher, als ich noch bei meinem Vater wohnte, habe ich das immer getan, wenn das Wetter gut war. In einem Haus ist vieles sehr schön, aber ich glaube, schlafen werde ich immer am liebsten draußen.«
»Du könntest natürlich hierbleiben, wenn wir blieben«, sagte Julian langsam. »Aber ich habe offen gestanden keine große Lust mehr dazu, seitdem die Zirkusleute sich so benommen haben.«
»Ich sorge dafür, daß sie sich anders benehmen«, rief Jo und sprang auf. »Ich sorge dafür!«
Aber Dick hielt sie am Arm fest. »Setz dich, wir bleiben erst noch einmal einen Tag und eine Nacht und überlegen morgen. Was sagst du dazu, Julian?«
»Gut.« Julian nickte und sah auf seine Uhr, »laß uns jetzt erst mal Jos Ankunft mit ein paar Eis feiern. Ihr Mädchen werdet sowieso ins Dorf wollen, um einzukaufen.«
»Ja«, sagte Anne und holte ihren Einkaufskorb. Und dann liefen sie zusammen mit Tim den Abhang hinunter. Als sie an dem Mann mit den Schlangen vorüberkamen, rief er ihnen freundlich zu: »Schöner Tag heute, nicht wahr?«
Nach all dem Vorhergegangenen kam das sehr überraschend.
Anne lächelte, aber die Jungen und Georg nickten nur, ohne eine Miene zu verziehen. Sie waren nicht so schnell umzustimmen wie die sanfte Anne.
Als nächsten trafen sie Kautschuk, und dann den Entfesselungskünstler. Auch sie nickten ihnen zu, und der immer so trübsinnig aussehende Schlangenmensch verzog sein Gesicht zu einem Grinsen.
Und dann begegneten sie Bufflo, der wie immer übte. Er kam zu ihnen herüber und sagte: »Wenn du es einmal mit der Peitsche versuchen willst, du kannst es jederzeit.«
Julian bedankte sich höflich, aber steif. »Wir fahren leider morgen.«
Bufflo grinste verlegen. »Bleibt doch hier. Ich leihe dir meine Peitsche, so oft du willst.«
»Das geht leider nicht«, sagte Julian, grüßte, und sie gingen weiter.
»Ich hätte eigentlich doch Lust, hierzubleiben«, sagte Georg nach einer Weile. »Es ist doch ein großer Unterschied, ob die Leute freundlich zu einem sind oder nicht.«
Aber Julian schüttelte den Kopf. »Das versteht ihr vielleicht nicht, aber ich vergesse nicht so schnell, wenn man mich so behandelt hat.«
Sie verbrachten einen schönen Vormittag, und nach einem Bummel durchs Dorf und nach dem Genuß mehrerer Portionen Eis, gab es ein besonders gutes Mittagessen in der Sonne im Gras vor den Wohnwagen. Und zu ihrem großen Erstaunen erschien plötzlich Jos Tante und brachte ihnen eine verlockend aussehende selbstgebackene Torte. Anne bedankte sich besonders herzlich, um die Zurückhaltung der Jungen wieder gutzumachen.
»Ihr hättet auch ein bißchen gesprächiger sein können«, sagte sie mißbilligend. »Sie ist wirklich eine nette Frau, und ich würde gerne hierbleiben.«
Aber Julian wollte sich nicht besänftigen lassen. »Wir fahren morgen«, sagte er. »Es müßte schon etwas ganz Unerwartetes passieren, wenn ich meine Meinung ändern soll, und das passiert bestimmt nicht.« Aber dieses Mal irrte er sich. Etwas Unerwartetes geschah, etwas sehr Seltsames!
Ein Gesicht am Fenster
Das Unerwartete geschah noch an diesem Tage nach dem Tee. Sie hatten ihn sehr spät getrunken und die mit Schokoladencreme gefüllte Torte dazu gegessen.
»Ich kann nicht mehr«, stöhnte Georg, »diese Torte war einfach zuviel. Verlangt jetzt nur nicht von mir, daß ich aufstehe und abwasche.«
»Das ist gar nicht nötig«, beruhigte Anne lachend, »wir haben ja genug Zeit. Es ist so ein herrlicher Abend. Laßt uns noch ein bißchen hier sitzen bleiben. Hört, die Amsel singt wieder, und jedesmal ist es eine andere Melodie.«
»Stimmt«, sagte
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