Fünf Hunde im Gepaeck
Henry hielt ihn fest.
»Er ist noch nicht richtig erzogen, aber er kann schon eine Weile still sitzen, wenn man es ihm sagt«, erzählte er stolz.
Henry trug den Hund von einer zur anderen, als präsentiere er ihnen ein großartiges Geschenk.
Geraldine tätschelte Fleck vorsichtig mit spitzen Fingern, Glenda lächelte nervös und Gloria fragte ängstlich: »Beißt der?«
»Ich kann nur hoffen, Donald weiß, was er tut«, sagte Glenda, als Henry mit dem Hund wiederverschwunden war. »Es sieht ja nicht so aus, als würde er ihn so schnell über haben.«
»Donald ist überzeugt davon, dass das spätestens morgen Abend der Fall sein wird. Henry muss jeden Morgen sehr früh aufstehen, um mit ihm rauszugehen, und überhaupt macht der Hund viel Arbeit. Und selbst wenn es Ärger geben sollte, ich halte das auf keinen Fall länger aus. Stellt euch nur vor, am Ende zerkratzt er noch den Couchtisch!«
Bei einem derart grässlichen Gedanken durchfuhr es sie eiskalt.
Während Henry in dieser Nacht auf dem Boden unter seiner Decke lag, Fleck dicht an ihn gekuschelt, dachte er nach. Oft ist es so, dass man sich etwas ganz doll wünscht, und wenn man es dann bekommt, ist es eine einzige Enttäuschung.
Wie sehr hatte er sich zum Beispiel auf den Urlaub auf den Seychellen gefreut. Seine Eltern hatten ihm erzählt, er könne da schnorcheln und tauchen … doch als sie angekommen waren, bekam er einen fürchterlichen Ausschlag von irgendeinem tropischen Insekt und durfte nicht einmal ins Wasser gehen. In Davos war es ähnlich gewesen, er wollte so gern Ski fahren, doch dannhatte es keinen Schnee gegeben, nur ein Hotel voller Leute, die die ganze Zeit Partys feierten und sich betranken.
Aber mit einem Hund war alles anders. Er hatte ihn sich schon so lange und so sehnlich gewünscht und jetzt hatte er ihn und es war schöner, als Henry es sich in seinen kühnsten Träumen hätte ausmalen können. Es waren nicht nur seine Gesellschaft und die Wärme, die Fleck in sein Leben gebracht hatte, Henry hatte auch nicht gewusst, dass ein Hund einen zum Lachen bringen konnte oder dass er einem dabei half, Freunde zu gewinnen.
Außerdem sah er auf einmal Dinge, an denen er vorher achtlos vorbeigegangen war: die geheimnisvollen Höhlen im Stamm der Eiche oder wie akkurat die Eicheln in ihren Hütchen saßen oder wie die Erde nach einem Wolkenbruch schwer und dunkel wurde. Früher hätte Henry noch nicht einmal bemerkt, dass es regnete.
Und über was er sich neuerdings alles Gedanken machte! Bei ihrem Nachmittagsspaziergang hatte Fleck ein Gitter über einem Abwasserrohr entdeckt. Das hatte ihn so begeistert, dass er sich platt auf den Bauch legte, um zu schnüffeln und zu riechen und zu forschen. Nie zuvor hatte Henryvorher darüber nachgedacht, was sich dort unten in dem schwarzen und übel aussehenden Wasser alles verbergen mochte. Vielleicht alte Flussgeister, die man aus ihrem Zuhause vertrieben hatte, oder winzige Krokodile, die im Klo runtergespült worden waren … womöglich gab es dort eine ganze Abwasser-Unterwelt, von der niemand etwas ahnte.
Henry streckte seinen Arm aus, um sein Nachtlicht anzumachen, aber Fleck lag quer über seinen Füßen und Henry wollte ihn nicht wecken. Egal, er brauchte sowieso kein Nachtlicht mehr, jetzt wo er einen Beschützer und Freund hatte.
Am nächsten Morgen, einem Sonntag, setzte sich Henry hin, um seinen Großeltern in Northumberland eine Postkarte zu schreiben. Nie zuvor hatte er ihnen etwas Interessantes zu berichten gehabt. Er wusste, wie sehr sie sich mit ihm freuen würden, wie glücklich sie darüber wären, dass er jetzt einen Hund hatte. In ihrem Haus am Meer hatten sie natürlich auch einen Hund, die alte Meg.
Er klebte eine Briefmarke auf die Karte und ging aus dem Haus und zum Briefkasten. Fleck ihm auf den Fersen.
Sie gingen weiter in den Park, dort trafen siezwar nicht das blonde Mädchen, aber den Mann mit der Dänischen Dogge. Der riesige Hund stand ganz still, während Fleck ihn umrundete und bewundernd an seinen Beinen schnüffelte. Dann liefen Henry und Fleck zu der Eiche und zu dem Laubhaufen, der Park war schon fast ein richtiges Zuhause.
Sonntag war eigentlich Olgas freier Tag, aber als Henry nach Hause kam, war sie noch da und gab ihm einen Knochen für Fleck. Es war genau die richtige Art Knochen für einen Hund und Fleck bedankte sich bei ihr auf seine Art.
Olga war nicht länger still und sauertöpfisch und Henry begriff, dass sie einfach nur einsam und traurig
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