Fünf Hunde im Gepaeck
kreischte Albina.
»Es ist genau das, was du mit mir gemacht hast«, sagte Henry mit einer fremden, erwachsenen Stimme. »Das wird dir noch leidtun.«
Mit diesen Worten drehte er sich um, ging hoch in sein Zimmer und schloss die Tür.
7. Kapitel
Kummer
Die Hunde in Raum A versuchten ihr Bestes, um Fleck aufzuheitern.
Jeder von ihnen hatte schon Kummer erlebt. Francine träumte immer noch von dem Zirkus und dem aufregenden Leben, das sie dort geführt hatte. Honey rannte im Schlaf immer noch über mit Heidekraut bedeckte Hügel, um die Schafe zusammenzutreiben. Otto hatte nie aufgehört, sich nach dem Frieden des Klosters und der stillen Würde der Mönche dort zu sehnen. Und Li-Chee wartete schon ewig auf jemanden,der es vermochte, in seine tapfere Seele zu blicken.
Genau wie Fleck hatten sie alle gehofft, eines Tages einen Herrn zu finden, der es wert war, dass sie ihm dienten, aber sie hatten nur Menschen gefunden, die gekommen und wieder gegangen waren und sich nicht für sie interessiert hatten. Aber sie waren älter und klüger als der kleine Mischling und wussten, dass man sich zusammennehmen und das Beste daraus machen musste.
Fleck war einfach nur überwältigt von seinem Schmerz. Den Kopf zwischen den Pfoten, lag er in seinem Käfig. Sein Fell war stumpf, seine Augen waren trüb und seit seiner Rückkehr hatte er nichts gefressen.
Kayley arbeitete in ihrem Büro daneben, und wann immer sie konnte, kam sie heraus, um nach dem Tottenham-Terrier zu schauen. Sie hatte das blaue Handtuch gerettet, das Fleck zwischen den Zähnen hielt, als er zurückgebracht wurde. Eigentlich erlaubte Mr Carker so etwas nicht, aber glücklicherweise waren die Carkers unterwegs zu einer Hundeschau, wo sie ein paar besonders exotische Hunde kaufen wollten. Kayley tauchte das Tuch in Flecks Wassernapf und befeuchtete damit sein Maul.
»Du musst trinken«, sagte sie zu ihm. »Du bist noch jung. Das ist nicht das Ende der Welt.«
Aber für Fleck war es das Ende der Welt und das wusste Kayley auch genau. Flecks Welt hatte aufgehört zu existieren, als sich die Tür seines Käfigs hinter ihm schloss und Albina Fenton auf ihren hohen Absätzen eilig davonstöckelte.
»Bitte, Fleck, tu’s uns zuliebe«, sagte Kayley und strich über seinen müden Kopf.
Doch Fleck sah sie nur aus seinen ungleichen Augen an und gab ein verzweifeltes Winseln von sich.
Die tägliche Arbeit musste trotzdem gemacht werden. Kayley ging hinaus, um den Garten zu sprengen. Otto wurde von einem schmächtigen Männchen abgeholt, der mit dem Bernhardiner seine Freunde beeindrucken wollte. Li-Chee wurde fortgebracht, um auf dem Schoß irgendeiner alten Dame zu hocken, und Fleck rollte sich zu einem Unglückshäufchen zusammen und flüchtete sich in den Schlaf.
»Hat er sich erholt?«, fragte Pippa am Abend, kaum dass Kayley ihren Mantel ausgezogen hatte.
Kayley schüttelte den Kopf, sie war sehr müde.
»Aber das ist albern«, sagte Pippa. »Man kann doch nicht so leiden, wenn man nur drei Tage mit jemandem zusammen war. So was gibt’s einfach nicht.«
»Anscheinend gibt es das doch«, sagte Kayley und ließ sich in einen Sessel fallen.
Normalerweise war sie nicht so und Pippa, die ihre Schwester vergötterte, wurde ärgerlich.
»Ich bin sicher, der Junge hat ihn längst vergessen«, sagte sie.
»Nein«, erwiderte Kayley. »Das hat er nicht. Andere Jungs vielleicht, aber er nicht.«
Ralph, einer der Zwillinge, sah von seinen Hausaufgaben auf und meinte, es sei wie bei Romeo und Julia. »Sie haben sich nur ganz kurz gesehen, auf einem Balkon oder so, und das hat gereicht.«
»Wie ist es ausgegangen?«, fragte Pippa.
»Schlecht«, sagte Ralph. »Zum Schluss waren alle tot.«
»Idiot!«, rief Pippa. Sie sah, dass Kayley am Ende ihrer Kräfte war. Sie goss ihrer Schwester eine Tasse Tee ein, aber die starrte nur weiter finster vor sich hin.
»Na ja, wenn der Junge ihn nicht vergessen hat, dann nur, weil er ein Schwächling ist. ReicheLeute sind immer schwach. Ich hätte nicht zugelassen, dass mir einer meinen Hund einfach so wegnimmt. Nie im Leben.«
»Was hätte er denn tun sollen«, sagte Kayley. »Er ist doch nur ein Kind.«
»Er könnte Fleck stehlen«, sagte Pippa. »Das würde ich an seiner Stelle tun. Es wäre auch gar kein richtiger Diebstahl. Er würde sich ja nur zurückholen, was ihm gehört.«
Aber Kayley, die an den schmächtigen, wohlerzogenen Henry neben seinem herrischen Vater denken musste, hielt das für sehr
Weitere Kostenlose Bücher