Fünf Hunde im Gepaeck
unwahrscheinlich.
»Wir müssen am Sonntag früh zur Arbeit«, sagte sie zu Pippa. »Die Carkers werden immer noch weg sein. Ich bin wirklich froh darüber, dass du mir hilfst.«
Aber Pippa beschloss, nicht nur zu helfen, sie wollte auch Nachforschungen anstellen.
»Ich werde Dr. Rutherford bitten, zu kommen und nach Henry zu sehen«, sagte Albina zu ihrem Mann. Er war gerade aus Peking zurückgekommen, wo er ein großes Geschäft erfolgreich abgeschlossen hatte.
»Ist er denn krank?«, fragte Donald erstaunt.
Albina wurde ärgerlich. »Ich hab dir doch gesagt, dass er nichts isst und schon völlig abgemagert ist, außerdem spricht er kaum noch mit mir. Am Montag beginnt wieder die Schule. Wir können ihn da unmöglich hinschicken, er sieht ja aus wie einer aus dem Waisenhaus.«
»Aha, nun ja, es wird Henry sicher nicht schaden, einmal richtig durchgecheckt zu werden«, sagte Donald. »Es geht ein ekelhafter Grippevirus um. Im Flugzeug hab ich neben einem Typen gesessen, der die ganze Zeit geniest hat. Hoffentlich hab ich mir nichts eingefangen.«
Wenn normale Menschen einen Arzt brauchen, dann gehen sie zu ihm in die Praxis und warten, bis sie an der Reihe sind, aber Albina war viel zu reich, um normal zu sein, sie hatte einen privaten Arzt, der zu seinen Patienten nach Hause kam.
Dr. Rutherford war ein älterer Herr mit weißen Haaren und einem freundlichen Gesicht. Nachdem er Henry untersucht hatte, bat er Mrs Fenton, ihn mit Henry allein zu lassen.
»Ich kann nichts finden«, sagte der Arzt. »Doch wenn du weiter nichts isst, wirst du natürlich immer schwächer.«
Henry zuckte mit den Achseln. »Ist egal. Ich hab nichts, wofür ich stark sein müsste.«
Dr. Rutherford wartete. »Gar nichts?«
»Nein, nicht mehr.«
Aber du hast etwas gehabt, für das du stark sein wolltest?«
»Ja«, sagte Henry.
Aber mehr wollte er dem Arzt nicht sagen, nichts von Fleck oder darüber, wie seine Eltern ihn betrogen hatten.
»Nun gut, ich lasse dir ein Stärkungsmittel hier«, sagte Dr. Rutherford lächelnd. »Das tun Ärzte meistens, wenn sie nicht weiterwissen. Ich glaube, das Problem steckt in dir drin, aber wenn du nicht darüber reden magst, will ich dich nicht zwingen.«
Dr. Rutherford ging die Treppe hinunter, wo Albina unten schon auf ihn wartete.
»Und? Haben Sie etwas gefunden?«
Dr. Rutherford zog sich den Mantel an. »Körperlich fehlt ihm nichts. Trotzdem stimmt etwas nicht mit ihm. Der Junge ist zutiefst unglücklich. Vielleicht wissen Sie ja, warum.«
Albina wurde rot. »Nein, das weiß ich nicht. Henry hat wirklich alles, was ein Kind sich nur wünschen kann.« Als der Arzt sie prüfend anschaute, fügte sie kleinlaut hinzu: »Es gab ein wenig Ärger wegen eines Hundes, den wir für ihnausgeliehen hatten. Er dachte, es wäre für immer, und seit wir den Hund zurückgebracht haben, ist Henry unausstehlich.«
»Das erklärt natürlich einiges«, sagte Dr. Rutherford. Und plötzlich musste er an den weißen Bullterrier denken, den er als Junge gehabt hatte. Er war an den Baumstämmen hochgelaufen, hatte sich mit seinen Zähnen an einem Ast festgebissen und hing daran wie ein Stück Wäsche auf der Leine. Als der Hund schließlich an Altersschwäche gestorben war, hatte er sich auf dem Dachboden verkrochen und eine Woche lang geweint.
»Vielleicht können Sie den Schaden ja wiedergutmachen«, sagte Dr. Rutherford zu Albina. »Gehen Sie noch einmal mit sich ins Gericht.«
Doch als der Arzt gegangen war, ging Albina nicht mit sich ins Gericht, sondern in die Küche, wo sie ihr Mittagessen zur Abwechslung einmal selbst zubereiten musste. Olga hatte doch die Frechheit besessen, genau an dem Tag, als Albina Fleck weggebracht hatte, zu kündigen.
»Sie Schlimmes gemacht«, hatte sie zu Albina gesagt. »Sehr Schlimmes. Ich gehen.«
Und sie war gegangen, und das, obwohl sie keine andere Arbeit in Aussicht gehabt hatte undAlbina ihr sogar mehr Geld angeboten hatte, wenn sie blieb.
Glücklicherweise erschienen an diesem Nachmittag ihre drei Freundinnen zum Tee und waren gehörig schockiert über die Unfähigkeit des Doktors, ganz zu schweigen von der Impertinenz des Dienstmädchens.
»Ich hab mir etwas überlegt«, sagte Geraldine. »Hast du nie darüber nachgedacht, Henry in ein Internat zu schicken? Ich weiß, dass er dir fehlen würde, aber ein Ortswechsel hat noch keinem geschadet.«
»Und ich finde, er benimmt sich inzwischen sehr verzogen. Ich meine, er schmollt jetzt schon seit fast einer
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