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Fünf Kopeken

Fünf Kopeken

Titel: Fünf Kopeken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stricker
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Das Lachen brach endgültig aus meinem Großvater heraus, zeriss die nächsten Worte, sodass er kaum zu verstehen war, während er »und erst die Hobbys!« rief, » Spazieren gehen . Spazieren gehen! Warum denn nicht einfach gehen . Oder besser gleich: atmen .« Er fuhr sich über die Lippen, in deren Mitte ein lilafarbener Abdruck zu sehen war, wie ein schlampig gemalter Kussmund.
    »Wie bist du nur auf so eine gekommen?«, sagte er zu meiner Mutter gewandt. Die sofort wieder rot anlief.
    »Tut mir leid, ich dachte wirklich, die hat Potential.«
    Vielleicht ist es ganz gut, dass wir heiraten, dann bin ich wenigstens eine Lüge los, schoss es ihr durch den Kopf.
    »Und das zu Recht! Das ist ja das Irre!«, kreischte mein Großvater und lachte noch lauter. »In den paar Wochen, in denen die da ist, hat sie mehr verkauft, als andere in einem ganzen Jahr.« Er schüttelte den Kopf, hielt scheltend oder lobend, da war meine Mutter sich noch nicht ganz sicher, den Zeigefinger nach oben. »Ich hab zwar keine Ahnung, was dich geritten hat, ausgerechnet die auszusuchen, aber was es auch war«, er tippte mit dem Finger an ihr Grübchen, »du lagst goldrichtig.«
    »Da zeigt sich mal wieder, dass das, was auf dem Papier nach einer Katastrophe aussieht, manchmal das Beste ist, was einem passieren kann«, sagte Arno. Oder zumindest will meine Mutter sich erinnern, dass er das gesagt habe, auch wenn es sich doch arg so anhört, als habe sie meinen armen Vater da zur Vertonung ihrer eigenen Verteidigungsschrift missbraucht. Die mein Großvater wiederum im Dienste ihres inneren Dialogs so nicht stehen lassen durfte.
    »Das kann ich so nicht stehen lassen«, sagte er und: »unter dem Besten stell ich mir aber mal noch was anderes vor«, da läge schon noch einiges im Argen, Stichwort Haare!, Stichwort Sprache!!, Stichwort Umgangsformen!!!
    Er lud seinen Löffel voll und schob ihn sich in den Mund. »Man kann ihnen ja nicht mal böse sein. Haben hinter ihrer Mauer halt nicht gelernt, dass Stil nix ist, was es nur mit Eis am gibt.« Er sah von Arno zu meiner Mutter, wartete, dass einer von ihnen lachte. Was mein Vater natürlich sofort machte.
    Mein Großvater klopfte ihm auf den Rücken. »Einmal Ossi, immer Ossi, was?«, rief er und warf den Kopf nach hinten, sodass man ihm tief in den Rachen sehen konnte, in dem die von Erdbeerbrei bedeckte Zunge auf und ab hüpfte.
    Meine Mutter griff sich unwillkürlich mit der Hand an den Mund.
    Arno schaute zu ihr. »Bist du müde?«
    Wie ertappt ließ sie den Arm fallen, wollte schon widersprechen, aber stattdessen begann sie tatsächlich zu gähnen, als würde ihr Körper die Lügen jetzt schon von ganz alleine in Wahrheit umwandeln.
    »Kein Wunder, wenn du die ganze Nacht in der Wohnung herumtigerst«, rief Arno, und: »die Examensvorbereitung macht ihr wirklich zu schaffen.«
    Meine Mutter machte eine abwehrende Handbewegung. »Unsinn, ich hab das alles im Griff.«
    »Ja, man sieht ja, wie du das im Griff hast«, rief mein Vater und schaffte es fast, ein wenig spöttisch zu klingen. »Erst hockst du bis tief in die Nacht in der Bibliothek, und dann wunderst du dich, wenn du mit Fieber im Bett liegst!«
    Meine Mutter versuchte die Galle herunterzuschlucken, die ihr erneut in den Mund schoss. »So spät war es doch gar nicht.«
    »Es ist ja nicht nur das!«, rief Arno. »Ich kann mich nicht erinnern, wann ich dich das letzte Mal ohne ein Buch in der Hand gesehen hab.« Er schaute wieder zu meinem Großvater. »Ständig ist sie am Büffeln, dabei weiß sie selbst, dass sie übertreibt. Jedes Mal wenn ich überraschend ins Zimmer komme, tut sie so, als würde sie nur mal aus dem Fenster kucken«, er tippte sich an die Stirn, »aber mir machst du nix vor. Ich kenn dich!«
    »Ist doch nur vorübergehend«, sagte meine Mutter, und, einer spontanen Eingebung folgend, »weil, wegen, wegen dieser Studie da.«
    Mein Vater runzelte die Stirn. »Was denn für eine Studie?«
    »Für, also, für, für den neuen Professor.« Sie riss erneut den Mund auf, drückte die Hand aufs Gesicht, um etwas Zeit zu gewinnen, aber diesmal wollte ihr kein Gähnen gelingen. »Für diesen Wedekind. Von dem hab ich dir doch erzählt!« Ihr Blick huschte über meinen Vater, der sie verwirrt ansah. »Also der soll demnächst einen Vortrag an so einer Eliteuni in den USA halten, und da hat er mich gefragt, ob ich ihm bei der Vorbereitung helfe.«
    »Das sind mir die liebsten«, rief mein Großvater, »gerade neu und lassen

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