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Fünf Kopeken

Fünf Kopeken

Titel: Fünf Kopeken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stricker
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schon eine Studentin die Drecksarbeit für sich machen.«
    »Das geht schon.« Meine Mutter schaute auf ihr eigenes Schälchen, schob eine Erdbeere auf ihren Löffel. »Das ist eher eine Investition in die Zukunft. Der hat tolle Kontakte. Wenn ich dem jetzt helfe, besorgt er mir vielleicht eine Stelle.«
    Mein Vater schüttelte den Kopf. »Du hast doch schon zwei Angebote.«
    Mein Großvater schüttelte seinen noch mehr. »Man sollte sich immer alle Optionen offen halten.«
    »Ich will ja nur nicht, dass sie uns irgendwann zusammenklappt«, versuchte es Arno noch mal, aber mein Großvater rief: »Ferz, eine Schneider kann das ab. Da muss man einfach die Koffeindosis ein wenig erhöhen, dann laafd die Gschicht!«, und, mit den Fingern in die Luft schnippsend, »Hilde, drei Espressis!« Er lud seinen Löffel erneut so voll, dass er auf dem Weg zum Mund ein wenig Sahne verlor. »Glaub mir, nach einem von denen löst sich die Frage ob Schlaf oder nicht ganz von selbst!« Der zartrosagefärbte Tropfen rann über die Serviettenwellen und vermischte sich mit den Soßenflecken von vorhin.
    Meine Großmutter kam den Flur entlanggeklappert, ein silbernes Tablett in den Händen.
    »Und?«, rief sie schon in der Tür.
    »Wunderbar, Hilde«, sagte Arno und begann schnell selbst zu essen.
    Mein Großvater nahm sich ein Tässchen vom Tablett und schwenkte es unter der Nase wie ein Parfümeur sein Schnupftuch.
    »Die Tassen hab ich mir extra von einem Lieferanten aus Italien schicken lassen«, sagte er, »aus diesen Kübeln, die sie einem hier andrehen, kann man ja nicht trinken.« Er nahm einen Schluck, rieb seine Kussmundlippen genießerisch übereinander, während er den obersten Hosenknopf öffnete.
    Einmal Bauerntrampel, immer Bauerntrampel, dachte meine Mutter.
    »Jetzt geht das schon wieder los!«, rief meine Großmutter unvermittelt und riss die Hände in die Höhe.
    »Was denn?«, fragte mein Vater.
    »Hörst du das nicht?« Meine Großmutter tippte sich mit dem Finger ans Ohr. Gedämpft aber tatsächlich so flehentlich, dass es, hatte man es einmal wahrgenommen, nicht mehr zu überhören war, kroch ein Weinen von unten herauf.
    »Kommt das von den Nachbarn?«
    »Das sind die Nachbarn! Vor allem die Frau!«, stöhnte meine Großmutter, »die kriegt sich überhaupt nicht mehr ein.«
    »Wir mussten uns neulich auch mit einer Lärmstörung herumschlagen«, warf Arno eifrig ein, »irgendwelche Ausländer! Haben die Musik voll aufgedreht, nachts um elf! Und das, wo wir beide so krank waren!«
    Mein Großvater schüttelte den Kopf. »Das hätte sich früher mal einer erlauben sollen!«
    Arno nickte, während er den Arm um meine Mutter legte. »Sie musste sogar hochgehen und mit der Polizei drohen, bevor sie endlich leiser gemacht haben.«
    »Wenn das denn bei denen da unten mal helfen würde!«, jammerte meine Großmutter, und, etwas leiser, die Hand vor den Mund schiebend, »die haben hier ja null Respekt vor Autoritäten.«
    »Vor gar nichts haben die Respekt!«, rief mein Großvater, gar nicht leise. »Nicht vor dem Staat, nicht vor uns. Nicht mal vor sich selbst!« Er riss die Serviette aus dem Kragen und knüllte sie zusammen. »Die ganze Nacht hat die Frau gestern rumgekreischt!«
    Arno schüttelte den Kopf. »Es ist sicher nicht leicht, über so was hinwegzukommen.«
    »Schon möglich, aber da muss man doch nicht das ganze Haus dran teilhaben lassen«, rief mein Großvater, »kann doch nicht jeder, wie er will.«
    Meine Mutter sah, wie er sich einen Löffel in den Mund schob, sprang plötzlich auf. »Ich, äh, ich glaub, wir müssen dann auch mal los.«
    »Ihr habt ja noch gar nicht aufgegessen!«, rief meine Großmutter.
    Arno rieb sich über den Bauch. »Ich schaff keinen Bissen mehr, Hilde«, sagte er und legte bedauernd den Kopf zur Seite, während er schon hinter meiner Mutter herlief, die es plötzlich furchtbar eilig hatte. Meiner Großmutter blieb kaum Zeit, ihre Küsse auf den Wangen zu verreiben, schon stürzte sie nach draußen, lief an der Tür der Nachbarn vorbei, hinter der es tatsächlich laut und flehentlich schluchzte.
    Sie trat auf den Gehweg, der in der Sonne gleißend hell war, wich den Spaghettikleidchen und Jesuslatschen aus, die ihr entgegenkamen, sah ihr eigenes schwitzendes Gesicht in den verspiegelten Sonnenbrillen, und Arnos daneben, auch verschwitzt, aber anders als ihres. Der Sommer machte ernst. Und mein Vater tat es auch.
    Als habe er beim Scharadespielen »Glück« aus der Trommel gezogen

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