Fünf Kopeken
vielleicht ein paar Blüten drauf. Dann schaust du nicht so kränklich aus, hier und hier, und vielleicht auch ein paar ganz oben«, sie fasste sich, zwei Erdbeeren in der Hand, an Rock, Bauch, Dekolleté.
Meine Mutter drückte Spülmittel ins Becken. »Wann hast du dir das vorgestellt?«, fragte sie. »Du hast es doch gerade erst erfahren.« Genauso wie ich, dachte sie und fuhr mit dem Schwamm in eine der winzigen Espressotassen, die sich mein Großvater extra von einem seiner Lieferanten aus Italien hatte schicken lassen, wie er bei jeder Gelegenheit erwähnte.
Meine Großmutter zuckte die Schultern. »Als Mutter macht man sich halt über so was Gedanken«, sagte sie, und fast mechanisch: »Du bist doch alles, was ich habe!« Sie legte das Messer auf die Arbeitsplatte. »Ich hab das Kleid bei mir im Schrank. Wenn du willst, können wir’s gleich mal anprobieren.«
Meine Mutter zog den Schwamm aus der Tasse, schaute hinein, aber am Boden klebte noch immer etwas Braunes. »Das hat doch noch Zeit.«
»Weiß ich ja, ich freu mich halt so!« Meine Großmutter seufzte, natürlich auf die Vater-Art. »Dass du den Richtigen gefunden hast, Kind!« Sie griff sich wieder an die Brust, die ihr vor Erleichterung fast bis zum Kinn schwoll, schüttelte plötzlich den Kopf. »Lass doch! Ich mach das später alles selber.«
Meine Mutter winkte ab. »Nicht der Rede wert«, sagte sie und kratzte mit dem Daumennagel über den Fleck.
»Unsinn«, rief meine Großmutter, »der Abwasch kann warten.« Sie nahm den Kopf meiner Mutter zwischen ihre Hände, zog ihn zu sich heran. »Das ist doch heute dein Freudentag!«
Diesmal war sich meine Mutter ganz sicher, Schokolade zu riechen.
Meine Großmutter holte die Rührmaschine aus dem Schrank, rollte das Kabel ab. Ein Papiertütchen ratschte auf.
»Woher weißt du denn, dass der Arno der Richtige ist?«, fragte meine Mutter plötzlich, selbst überrascht, wo die Frage so schnell herkam.
Meine Großmutter friemelte die Rührbesen in die Öffnung. »Natürlich ist er der Richtige!«
»Aber wieso denn?«
»Na, weil er dich nimmt, wie du bist.« Sie streute Vanillezucker auf die Sahne.
»Wie bin ich denn?«, fragte meine Mutter leise. Aber meine Großmutter hatte die Rührmaschine schon angeschaltet. Die Besen knatterten gegen die Schüssel, übertönten jedes andere Geräusch.
Meine Mutter trocknete sich die Hände ab, griff nach den Schälchen im Schrank.
»Nur drei«, rief meine Großmutter und schaltete die Rührmaschine aus, »ich muss ein bisschen auf meine Linie achten.«
Meine Mutter füllte die Erdbeeren in die Schälchen, wartete, bis meine Großmutter Sahne darauf geklatscht hatte.
»Wirklich, ich könnt nicht glücklicher sein, wenn es meine eigene Hochzeit wäre«, hörte sie ihr nachrufen, während sie in den Flur hinaus lief, zurück ins Esszimmer, in dem mein Großvater und mein Vater jetzt nebeneinander auf der Eckbank saßen. Auf dem Tischtuch war noch schwach die geplante Hochzeit zu sehen, aber anscheinend hatten die beiden mittlerweile das Thema gewechselt. Schulter an Schulter saßen sie über einen Schnellhefter gebeugt und ließen die Finger über die aufgeschlagene Seite fahren. Erst als meine Mutter näher kam und die Schälchen vor ihnen abstellte, erkannte sie die Bewerbungsmappe wieder.
»Es fängt schon in der Adresszeile an, Mode-Schneider GmbH und Kokage« , sagte mein Großvater und pickte auf das Papier, »ka, o, ka, a, ge, e – da denkste doch, du wirst blind!«
Mein Vater hob den Kopf und klopfte neben sich auf die Bank.
» Sehr geehrter Herr Schneider ,« las mein Großvater weiter, » nach dem glücklichen Fund der Ausschreibung Ihres Unternehmens über eine Anstellung in der Berliner Zeitung, möchte ich mich hochachtungsvoll für die ausgeschriebene Stelle bewerben. «
Arno grinste. »Will sie jetzt zur Zeitung oder zu uns?«
Mein Großvater wedelte mit den Fingerspitzen in die Luft, während er weiterlas, das Lachen mühsam unterdrückend. » Im Laufe meiner Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau hatte ich das Glück, in dem Verkauf von Waren und in dem Umgang mit Menschen ausgebildet zu werden, welches mir große Freude bereitete. «
Arno schaute wieder auf und rieb ungeduldig mit der Hand über das leere Stück Bank neben sich, bis meine Mutter um den Tisch herumkam und sich setzte.
» Ihr Unternehmen hat in mir ein großes Interesse erweckt und ich wäre Ihnen äußerlichst dankbar, wenn wir miteinander kommunizieren könnten. «
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