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Fünf Kopeken

Fünf Kopeken

Titel: Fünf Kopeken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stricker
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die Fingerzwischenräume.
    Was machst du denn hier im Dunkeln, fragt mein Vater in ihrem Rücken. Sein nasses Gesicht berührt sie an der Schulter. Sie rutscht vom Tisch, in seine Arme, weil sie sonst nirgendwo hin kann. In seinen Achseln riecht es scharf nach Duschgel.
    Er streicht ihr über den Kopf. Seine Augen sind rot vom Chlor.
    »Hab was gesucht«, nuschelt sie und läuft ins Schlafzimmer.
    Sie setzt sich auf den Stuhl neben dem Bett, hört das Herunterlassen der Rollläden im Arbeitszimmer, die Schritte, die ihr nachkommen.
    »Deine Mutter hat angerufen.« Arno nimmt das Handtuch von den Hüften, wickelt es zu einem Schlauch.
    Sie streift die Schuhe ab. »Was wollte sie denn?«
    Er zerrt das Handtuch hinter seinem Rücken hin und her wie eine Säge. »Wissen, wie die Prüfung war, denk ich.« Er läuft nackt an ihr vorbei und zieht eine Unterhose aus dem Schrank. Die Wäsche fällt ihm entgegen.
    Sie stellt die Schuhe an die Wand, rückt die Spitzen parallel.
    Mein Vater stopft den Stapel zurück in den Schrank. Auf einem Bein balancierend schiebt er den freien Fuß in die Hose, stützt sich mit der Hand an der Bettkante ab. Seine Zehen sind milchig weiß.
    Er verschwindet unter seinem Pullover, murmelt etwas.
    Meine Mutter fasst sich in den Nacken. Die Haut brennt noch immer. »Was?«, fragt sie.
    Der Rollkragen zieht seine Locken lang über die Ohren. »Wie es denn nun gelaufen ist?«
    Sie legt die Hand an die Lippen, starrt auf seine Füße, die auf dem Fußboden ganz platt und breit werden.
    »Alles klar?«, fragt er. Er geht neben ihr in die Knie. Sein rechter Arm kommt aus dem Pullover hinterhergekrochen, als habe er ihn davor darin vergessen. Seine Hände berühren ihren Hals, lupfen den Blazer von ihren Schultern. Sein Atem streicht über ihren Nacken.
    »Nicht.« Sie springt auf, macht einen Schritt zur Tür.
    Seine Stirn legt sich in Falten.
    »Ich bin völlig durchgefroren«, sagt sie und schüttelt sich, »muss erstmal unter die Dusche.« Sie nimmt sein Handtuch vom Bett und läuft den Flur entlang.
    »Ich bring dir ein trockenes«, hört sie ihn rufen, während sie die Tür hinter sich zuwirft.
    Sie pellt sich aus ihren Sachen, umfasst ihr Handgelenk, um es ruhigzuhalten.
    Im Wohnzimmer geht der Fernseher an.
    Sie klettert in die Wanne und dreht den Hahn auf, hält sich die Düse über den Kopf. Das Wasser rinnt an ihr hinab, über den Rücken, die Brust, schließt sie in eine durchsichtige Hülle ein.
    Sie legt den Kopf in den Nacken, lässt sich den Strahl ins Gesicht prasseln.
    Das Wasser rauscht in ihren Ohren, während ihre Hand in den Nacken fährt, sich den Hals hinauftastet, die Stelle findet, an der sie seinen Blick noch immer sehen kann, wenn sie die Augen schließt. Ihre Finger reiben über die unsichtbare Narbe. Mit dem anderen Arm umschlingt sie ihren Bauch, presst die Finger ins Fleisch wie um eine zu volle Einkaufstüte, die jeden Moment durchzureißen droht.
    Sie greift nach dem Duschgel am Beckenrand, lässt die dunkelgrüne Flüssigkeit in ihre Hand laufen.
    Mit schnellen Bewegungen seift sie sich ein, fährt sie sich unter die Arme, über den Bauch. Ihr Handballen reibt kreisförmig über ihre Hüfte wie über einen Mühlstein, schäumt das Gel zu Flocken auf. Mit der anderen Hand verteilt sie den Schaum auf ihrem Körper, bis ihre Haut völlig von einer dicken, weißen Schicht bedeckt ist.
    Die Kälte fährt ihr über den Rücken.
    »Es ist doch nicht zu viel verlangt, Bescheid zu sagen«, hallt es in ihr Ohr. Die Stimme meiner Großmutter überschlägt sich. Arno hält ihr den Hörer an die Wange. Sein zerknirschtes Lächeln taucht neben dem Duschvorhang auf.
    »Hast du ihr ausgerichtet, dass ich angerufen hab?«, plärrt es aus dem Hörer.
    Meine Mutter tritt unter dem Strahl hervor. »Ich bin dran, Mama«, sagt sie.
    »Gott sei Dank, wo warst du denn solange? Ich hab’s schon drei Mal bei euch versucht. Hat dir der Arno nicht gesagt, dass du mich sofort zurückrufen sollst?«
    »Doch, hat er«, sagt meine Mutter. Der Schaum tropft von ihrer Brust. »Hätt’ ich schon noch gemacht.«
    »Du hättest es schon noch gemacht?«, kreischt meine Großmutter. »Du weißt doch, dass wir warten. Ich hab den ganzen Tag an nix anderes denken können. Beinah geschnitten hätte ich mich, als ich Kartoffeln geschält hab. Aber ich hab nicht aufgehört, die Daumen zu drücken, das kannst du mir glauben.«
    »Maaama«, stöhnt meine Mutter.
    »Was?«
    »Das musst du doch nicht

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