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Fünf Kopeken

Fünf Kopeken

Titel: Fünf Kopeken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stricker
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seine Augen, dabei sind sie es doch, die sie die ganze Zeit angestarrt haben, wenn er sie überhaupt wirklich, vielleicht hat er eigentlich jemand ganz anderen, oder sie hat sich das nur eingebildet, warum sollte er denn sie ist sich nicht mal, sicher doch, sicher schaut er sie noch an, sie spürt doch ganz genau weiß sie es natürlich nicht dass das wichtig wäre.
    Es zieht an ihren Lidern.
    Blödsinn, lächerlich ist das, irgend so ein Kerl, bestimmt nur ein Zufall, und überhaupt, was macht es denn, ob er sie jetzt an schaut sie auf, ohne dass sie es will, ihre Augen öffnen sich von ganz alleine, nur einen Moment sieht sie ihn, wie er sie ansieht, von der Seite, genauso wie zuvor, völlig ruhig, und diesmal auch den Rest, Nase, Mund, die Augen, gelblichgrün. Wie die einer Katze, denkt sie, als sie ihre schnell wieder zudrückt.
    Ihr Handballen presst gegen ihren Augapfel. Sie streicht über ihre heiße Nase, dreht das Gesicht gegen die Scheibe. Ihre Schläfe pulst in ihren Daumen. Etwas schiebt sich an ihrem Schienbein vorbei. Durch den Spalt unter ihren Lidern blitzen die weichspülerblauen Fliesen an der Haltestelle auf, der altmodische Schriftzug. Sein Anorak berührt ihren Handrücken. Sie zieht die Finger zur Seite, blinzelt in die Helligkeit, springt plötzlich auf, der Schreck ist schneller in ihrem Körper als in ihrem Kopf. Sie stolpert über die Beine im Gang, tschuldigung, ich muss hier, Verzeihung, tut mir leid. Sie hält ihre Tasche vor die Brust wie einen Schutzschild, quetscht sich zur Tür, auf den Bahnsteig. Fäuste im Rücken, Ellenbogen, Taschen, ihre Füße treiben ohne sie zum Ausgang. Erst auf der Rolltreppe bleibt sie stehen, drückt die Hand auf ihre Brust. Der Wind fährt in den Schacht. Um den Hinterkopf vor ihr schiebt sich ein Paar lederner Handschuhe, unter denen rote Ohren verschwinden.
    Sie dreht sich nicht um, nicht mit Absicht zumindest, zupft nur den Rock hinten nach unten, als sie plötzlich den Fellkragen in der Menge sieht, den sie auch schon davor, an seinem Hals oder vielleicht auch an dem daneben? Ihr Atmen rast.
    Sie macht einen Schritt nach links, zwängt sich an den Stehenden vorbei nach oben, zu den Zeitungs- und Blumenverkäufern, die sich vorm Regen in den U-Bahnhof geflüchtet haben.
    Sie kramt in ihrer Handtasche, schaut nach rechts und links, als wüsste sie nicht, wo sie hin muss. Es prasselt auf ihren Kopf. Sie läuft unter das Vordach des Dönerladens, greift sich an die Stirn, während ihre Augen immer wieder zurück in den Schacht huschen.
    Die Rolltreppe pumpt immer mehr Menschen auf den Gehweg mit Schirmen und Koffern und noch mehr Menschen mit noch mehr Koffern, eine Reisegruppe, Kinder, ein paar Stufen lang gar nichts und dann wieder Menschen, nur nicht ihn, natürlich nicht ihn, und dann kommt er doch, die Hände in den Hosentaschen, den Kopf im Nacken, als würde er sich sonnen.
    Sie macht einen Schritt auf den Gehsteig. Eine Fahrradklingel schrillt. »… keine Augen im …«, schreit es ihr nach, aber sie rührt sich nicht, bleibt wie erstarrt stehen, bis er oben ankommt, den Kopf nach vorne zieht, sich umschaut. Erst als seine gelben Augen bei ihr ankommen, läuft sie los.
    Sie drängelt sich zwischen den Passanten durch, schnell, so schnell sie kann, ohne zu rennen, weil, das wäre ja dann doch übertrieben, was soll denn schon, es ist ja sicher nur ein, sie schafft es nicht, einen Gedanken zu Ende zu bringen, zu schnell reißt der Verstand ihr die albernen Worte weg.
    Sie stopft ihren Kram zurück in ihre Tasche, schiebt den Henkel über die Schulter, während sie weiterläuft, um das Auto herum, das an der Kreuzung beim Einparken steckengeblieben ist. Die Scheinwerfer blenden auf. Das Klackern ihrer Absätze hallt von den Wänden wider. Aber das Echo kommt nicht von ihren Schuhen, das weiß sie auch so, dafür muss sie sich nicht umdrehen und tut es doch, während sie noch schneller läuft. Und er auch.
    Der Regen fällt in langen Fäden aus den Straßenlaternen. In einem Hauseingang stehen zwei Männer, schauen in den Himmel.
    Das Wasser aus dem Rinnstein spritzt auf ihre Beine, als sie die Straße überquert, auf die Haustür zuläuft. In ihrer Tasche kramt. Die feuchte Zeitung klebt sich an ihre Finger.
    Sie wirft sich gegen den Türknopf, drückt sich durch den Spalt in den Eingang, den Blick über der Schulter, auf die Tür gerichtet, die unendlich langsam hinter ihr zurückschwingt.
    Sie hebt die Werbeblättchen auf, die unter den

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