Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fünf Schlösser

Fünf Schlösser

Titel: Fünf Schlösser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
dissolving view, weshalb es mir in nachstehendem obliegen wird, das eingangs bloß im Fluge Berührte hier näher auszuführen.
    Oben am Treppenausgang erwartete der Prinz die Geladenen, an jeden ein freundliches Wort der Begrüßung richtend. In einem Vorzimmer, wohl nach schwedischer Sitte, ward ein Imbiß, ein Vorschmack, genommen, und eine mit dem Liqueur-ABC, also mit Allasch, Benediktiner und Chartreuse, beginnende Batterie, die sich über den Rest des Alphabets hin bis zu Maraschino die Zara fortsetzte, stand zu diesem Behufe zur Wahl. Eine kurze Konversation, mehr ein Fragen als ein Sprechen, leitete sich ein, in deren Verlauf der zum erstenmal Erschienene sich aufgefordert sah, seinen Namen in das Fremdenbuch von Dreilinden einzutragen. Eine Durchsicht desselben, jeder Jahrgang ein Band, würde gleichbedeutend gewesen sein mit einer Revue berühmter Namen, wenigstens auf manchem seiner Blätter; aber die Zeit dazu blieb der Neugier versagt, denn im selben Augenblick, wo wir die Fremdenbuchfeder wieder niederlegten, öffneten sich auch schon die Türen zu dem eingangs (im ersten Kapitel) geschilderten Eßsaale, von dessen Decke der große Geweihkronleuchter herniederhing und den Glanz seiner 66 Lichter über den quadratischen, zu zwölf gedeckten und mit Polstersesseln umstellten Eßtisch ausstrahlte. Rechts und links hin blinkende Humpen und Aufsatzstücke. Die dem Range nach Zuhöchststehenden nahmen die Plätze neben dem Prinzen ein, womit das Zeremoniell erschöpft und für die noch verbleibenden Sitze die Gleichwertigkeit ausgesprochen war. Eine Menukarte lag vor oder neben jedem Couvert, aber nicht in dem herkömmlichen Westentaschenformat, sondern als ein großes , in Buntfarbendruck sauber und sinnig ausgeführtes Blatt, das zu besitzen und seinem Album daheim einverleiben zu dürfen ebensosehr Begehr wie Brauch war. Das Blatt selbst aber zeigte das »Jagdhaus«, von Efeu und Weinblatt umrankt, in dessen Gezweige die typischen Gestalten aus der Tafeldienstsphäre von Dreilinden standen: der Heiduck, der Jäger, der den Fasan, und endlich der butler und Kellermeister, der das Spitzgläsertablett mitsamt dem Champagner präsentierte.
    Aber wie dem Gaste nicht Zeit blieb, sich neugierig in das Fremdenbuch zu vertiefen, so noch weniger in die jetzt vor ihm liegende Tischkarte; Fragen wurden laut, ein Gespräch knüpfte sich an, und alsbald war man mitten im großen Strom der Unterhaltung. Ein Gefühl der Bedrückung konnte nicht aufkommen, dessen trug der »Gastfreund« Sorge, der, wie wenige, die Kunst verstand, auch dem Unsichersten einen Tropfen Sicherheit in den Becher zu tun.
    Der Prinz liebte die Form der Unterhaltung, die, den ganzen Tisch umfassend, sofort einen persönlichen und sachlichen Mittelpunkt zu gewinnen trachtet. Aber dies Ideal ward nur selten erreicht, vielmehr war es herkömmlich, das zu Beginn der Tafel konzentriert auftretende Gespräch im Laufe desselben zu Gruppengesprächen werden zu sehen. Kein Zweifel, daß sich dies hätte vermeiden lassen, wenn der »Gastfreund zu Dreilinden« ein Sprecher nach Art unsres großen Kanzlers gewesen wäre; solch Usurpatorentum der Rede jedoch, das dem Kanzler kleidet, lag dem Prinzen fern, so fern, daß ich umgekehrt beobachten konnte, wie seiner Redelust und -freudigkeit eine Redescheu beständig zur Seite stand. Und so darf wohl gesagt werden, daß die Gefahren einer sich zerbröckelnden Tischunterhaltung allezeit groß waren und noch größer gewesen sein würden, wenn nicht das in Einzelexemplaren immer vertretene Zivil element des nicht genug zu schätzenden Vorzugs genossen hätte, bei jeder sich darbietenden Gelegenheit über Gletscherbildung und Venusdurchgang, über Nordenskjöld und Stanley des ausführlicheren berichten und durch Aufwerfung irgendeiner »großen Frage« die nach links und rechts hin Ausgeschwärmten wie durch Hornsignal um die Fahne her neu sammeln zu dürfen.
    Ein charakteristischer Zug des Prinzen war sein Approfondierungshang , worin er übrigens lediglich seiner auf die Realität der Dinge gestellten Natur folgte, der bloßer Schein, Oberflächlichkeit und Dilettantismus gleichmäßig verhaßt waren. Er prätendierte nicht, Interessen zu haben, er hatte sie wirklich und erwies sich jede Stunde von einem ernstesten Verlangen erfüllt, den Kreis seines Wissens und seiner Erfahrungen auszudehnen. Mit dieser Vorliebe für »Approfondierung« ging, was zunächst wie Widerspruch wirkt, ein Präzisionshang , eine

Weitere Kostenlose Bücher