Fünf Schlösser
sollte. Hier aber, während im oberen Stock alles aufgestanden hatte, fanden wir die Türe sorglich geschlossen und mußten, im Fall uns wirklich an einem Einblicke lag, einen Meier oder Verwalter oder sonstigen Majordomus von Schloß Hoppenrade zu finden suchen. Und wir fanden ihn auch in Gestalt eines auf einer Parkwiese mit Grasmähen beschäftigten Tagelöhners, der sich schließlich, nach einigem Parlamentieren, mit jener dem Märker eigentümlichen Mischung von Geneigtheit und Abgeneigtheit bestimmen ließ, uns ins Schloß zu folgen und die Kapellentür aufzuschließen.
Die Kapelle selbst hatte den Umfang und fast auch das Ansehen eines Rokokosaales. Pfeiler und Decke waren weiß und golden und reiche Stuckornamente dazwischen. Unmittelbar über dem Altar befand sich die Kanzel, was auf Calvinismus deutete, sonst aber erschien alles katholisch, und zwar katholisch im zopfigsten Jesuitenstil, am meisten ein paar schrankartige, schräg ins Eck gebaute Chorstühle, die mit ihrem Gitterwerk und einem dahinter angebrachten Sitzplatze genau wie Beichtstühle wirkten. Ein elfenbeinernes, anscheinend italienisches Kruzifix steigerte noch diesen Eindruck, und wenn nicht das Kruzifix selbst, so doch der Ebenholzkasten, auf dem es stand, in dem nach Reliquienart ein Stückchen Seidenzeug lag mit einem Pergamentstreifen daran und der Inschrift: De vestimento Mariae. Dicht hinter dem Kruzifixe mündete von oben her der konsolartige Kanzelfuß und an ebendieser Stelle war auch ein Doppelwappen angebracht, eines davon das Bredowsche. Sonst fand sich nichts, was ein Interesse hätte wecken können, ausgenommen ein Deckenbild in der Sakristei, das zu dem Calvinistischen und jesuitisch Katholischen auch noch etwas Freimaurerisches hinzufügen zu wollen schien: ein Weltgott trug Zepter und Krone, dazu Sonn und Mond auf der Brust und Löw und Skorpion auf dem Gürtel; ein Engel aber kniete vor ihm und opferte dem Gott ein brennendes Herz. Alles rätselhaft. Auch dies Bild.
Als wir aus der Kapelle heraus und wieder draußen im Freien waren, überflog ich noch einmal, was ich drinnen gesehen. Ja, was war es? Ich hatte nichts erkannt als das Bredowsche Wappen, und unser Cicerone bestätigte denn auch, daß Hoppenrade Bredowsch und später erst ein Frau von Arnstedtscher Besitz gewesen sei. Das war etwas, aber doch nicht genug; es verlangte mich, mehr zu wissen, und als ich unerbittlich in den unter Verhör Genommenen eindrang, entschloß er sich endlich kurz und resolvierte sich dahin: »Joa, denn helpt dat nich, denn möten wi to de Oll-Stägemannsch goahn, de weet allens. Un wat de annern weeten, dat weeten se ook man vunn ehr.«
Ich sog jedes dieser Worte begierig ein, und ehe zwei Minuten um waren, schritten wir schon über ein zwischen Schloß und Dorf eingeschobenes Stück Wiesenland auf ein niedriges und dicht von Kürbis umwachsenes Haus zu, darin das alte Mütterchen und mit ihr die Dorftradition wohnen sollte. Wir fanden sie nicht gleich, das Häuschen war leer, im Garten aber kniete sie vor einem Beet und sammelte kleine rotschalige Zwiebeln in ein neben ihr stehendes Metzmaß.
Als sie verständigt worden war, um was wir gekommen, erhob sie sich zu Gruß und freundlicher Anrede. Sie war überhaupt sehr artig, sprach Hochdeutsch, in das sich nur dann und wann ein paar plattdeutsche Wörter einmischten, und wollt uns durchaus in ihre Stube führen. Aber wir baten sie zu bleiben, was sie zuletzt auch annahm und nur auf einen Backtrog zeigte, der umgestülpt unter ein paar Zwetschenbäumen lag. Auf diesem Troge nahmen wir Platz, und kaum daß ich mich zurechtgerückt hatte, begann ich auch schon mit allerhand Fragen wegen der Bredows. Als ich aber merkte, daß sie von dem allem nicht viel oder eigentlich so gut wie nichts wußte, weil es vor ihrer Zeit gewesen war, so ließ ich die Bredows fallen und leitete das Gespräch auf die Frau von Arnstedt hinüber, »die müsse sie doch noch gekannt haben«.
»Ob ich die gekannt habe! Solange ich denken kann. Ich war ja schon drüben, als das älteste Fräulein geboren wurde, das Rosalchen, die nachher den Wülknitz heiratete, den Kammergerichtsrat der bis voriges Jahr unsere Herrschaft war. Ach, das war eine himmlisch gute Frau, die hatte den lieben Gott im Herzen und unsern Herrn Christus auch. Und das Fräulein Clara, die ja nu wieder die Tochter von der Frau von Wülknitz war...«
»Aber liebe Frau Stägemann. Sie wollten mir ja von der Frau von Arnstedt
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