Fünf Schlösser
ausgestattetes Riesenkonvolut erschien, auf dessen Öffnung und Befragung er »aus Anstandsgefühl und zarter Rücksicht gegen seine Frau« zu verzichten vorgab. In Wahrheit aber lag es so, daß das geöffnete Konvolut gar nichts bewiesen haben würde, während es mit seinen sieben Siegeln ein großes Geheimnis darstellte, das zu lüften und zur Kenntnis von aller Welt zu bringen im Interesse der Gesellschaft und der Sittlichkeit am besten unterbliebe. Sie haben hierin ein Musterbeispiel, wie verschlagen man verfuhr. Und das alles um nichts weiter als um ein paar Dutzend Briefe willen, in denen ich eine gequälte Frau gewarnt und ihr zur Bekämpfung ihrer Gegner ein paar Ratschläge gegeben hatte.
Ja, das war alles. Und doch muß ich in diesem Augenblicke selber ausrufen: Oh, diese leidige Korrespondenz! Denn so wenig sie nach der Seite wirklicher Schuld hin bedeutet, so viel bedeutet sie gesetzlich und leider auch praktisch. Ausschließlich auf diese zugestandene Korrespondenz hin heißt es jetzt in dem Scheidungsurteil: »daß sich die gesetzlich Geschiedene ohne vorgängigen Dispens nicht wieder verheiraten dürfe«, eine Klausel, die hundert Ungelegenheiten im Gefolge hat. Allerlei Schritte sind freilich schon geschehen und geschehen noch, um diese Klausel aus dem Urteile herauszuschaffen, aber vergeblich, vergeblich wenigstens bis zu diesem Zeitpunkte, wobei gesagt werden muß, daß diese Schritte sehr wahrscheinlich einem geringeren Widerstande begegnet sein würden, wenn sich die durch Mad. de Verelst inszenierte Familienkabale nicht bis in die Gerichtshöfe hinein fortsetzte. Was zur Partei dieser Dame gehört, hat ein für allemal einen Trumpf darauf gesetzt, mich wenigstens in meinen Plänen und Wünschen scheitern zu sehen, in Plänen und Wünschen, die man darauf zurückführt (ich darf sagen, törichterweise), daß mir mehr an dem Besitz einer großen Erbschaft als an dem Besitz einer schönen und liebenswürdigen Frau gelegen sei. Jeder beurteilt eben andere nach sich selbst und sucht hinter der Tür, hinter der er selber gestanden.
Erbschaft! Ich weiß nicht, ob ich Ihnen früher schon über diesen Erbschaftspunkt geschrieben habe, fast bezweifl ich es. So gestatten Sie mir denn einige kurze Notizen, die vielleicht ein Interesse für Sie haben werden.
Das Erbe, um das es sich in den Hoffnungen und Befürchtungen so vieler Personen handelt, ist die sogenannte Löwenbergsche Herrschaft, ein Komplex von Gütern, unter denen Löwenberg und Hoppenrade die bedeutendsten sind. Nun, diese Löwenbergsche Herrschaft ist zur Zeit ein Bredowscher Besitz und wurde durch den verstorbenen Propst von Bredow, insonderheit aber durch das Vermögen der reichen Gemahlin desselben, einer Schwester des Hofmarschalls von Kraut , erworben. Sie ersehen hieraus unschwer, auf welche Verwandtschaftsgrade hin das Erbe von seiten der Tochter des Hofmarschalls einst angetreten werden wird.
Ich bitte jedoch, dieser allgemeinen Notiz auch noch einiges Besondere hinzufügen zu dürfen, um Sie, hochgeehrter Herr Vater, bestimmter in dieser Sache sehen zu lassen. Aus der Ehe des dompröpstlich Bredowschen Paares wurden im ersten Viertel dieses Jahrhunderts zwei Söhne geboren, unter die sich, unter gewöhnlichen Verhältnissen, der große Besitz geteilt haben würde. Beide Brüder indes fielen in Krankheit, ihre Krankheit wurde Geistesgestörtheit, und als die Dompröpstin (ihr Gatte war vor ihr gestorben) in die Jahre gekommen und ihres Ablebens gewärtig war, sah sie sich gezwungen, mit der Tatsache zweier erbunfähiger Söhne zu rechnen und über die Köpfe dieser Söhne hinweg in betreff ihres Vermögens zu testieren. In der Tat fand sich beim Tode der Dompröpstin ein Testament vor, in dem es der Hauptsache nach hieß, »daß bei Lebzeiten ihrer zwei geistesgestörten Söhne die Löwenberger Herrschaft unter bestimmten Modalitäten verwaltet, nach dem Hinscheiden dieser zwei Söhne jedoch der gesamte Besitz an ihren Bruder, den Hofmarschall von Kraut, eventuell an die Deszendenz ebendieses Bruders übergehen solle«. Die Deszendenz dieses Bruders aber, wie schon vorstehend hervorgehoben, ist das ehemalige Fräulein Charlotte von Kraut , geschiedene Frau von Elliot, seit 1. Oktober v. J. mir in heimlicher Ehe vermählt.
Im übrigen bleibt es zweifelhaft, ob die »Krautentochter«, wie sie der Volksmund zu nennen pflegt, das Erbe, das so viel von sich reden macht, antreten und, wenn antreten, auch behaupten wird. In diesem
Weitere Kostenlose Bücher