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Fünf Schlösser

Fünf Schlösser

Titel: Fünf Schlösser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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unsinnigen Verlangen nach Macht und Besitz beherrschtes Weib, das nur den einen Wunsch kannte, die leibliche Tochter, ihr einziges Kind, unter Kuratel gestellt oder eingesperrt – oder mindestens an einen entfernten Punkt der Erde verschlagen zu sehen, alles nur, um das Vermögen dieser Tochter verwalten, das heißt also, ebendies Vermögen sich und ihrem Herrschergelüst dienstbar machen zu können. Es bestand zu diesem Zweck ein vollständiges Komplott zwischen Schwiegermutter und Schwiegersohn und gipfelte zunächst in Heraufbeschwörung eines öffentlichen Skandals, um an ebendiesem die geistige Gestörtheit oder doch wenigstens die verdorbene Moral der Tochter demonstrieren zu können. Es wurde dies alles auch wirklich inszeniert und lief auf ein angedichtetes, absolut lächerliches Liebesverhältnis hinaus, das die junge Frau zu dem alten holländischen Gesandten unterhalten haben sollte. Sie wissen davon, mein teurer und hochgeehrter Herr Vater, indem ich mich entsinne, gerad über diesen Punkt ausführlicher an Sie geschrieben zu haben. Es war dies um die Zeit, als ich von Ostfriesland nach Rheinsberg zurückkehrte. Was ich hier am Hofe des Prinzen sah, empörte mich; ich machte mich also zum Verteidiger der unglücklichen Frau, sprach für sie, riet ihr und erregte dadurch jene Zorn- und Wutausbrüche, die, wie Sie sich gütigst erinnern wollen, erst zur gewaltsamen Wegnahme der Papiere, dann aber zu dem Fürstenberger Überfall und dem Baruther Rencontre führten. Ein Gutes nur begleitete diese Vorgänge: die Scheidung ward eingeleitet.
    Und hier, mein teurer hochgeehrter Herr Vater, bitte ich nunmehr, etwas ausführlicher werden zu dürfen, weil ich in allem Folgenden nicht mehr bloß zu rekapitulieren, sondern auch Neues zu sagen haben werde.
    Der erste Schritt war, daß man die junge Frau dem Gedanken einer Scheidung zugänglich zu machen suchte. Dies hielt bei den Gefühlen, die sie hegte, nicht schwer, und alles, was sie forderte, lief darauf hinaus, daß nicht eine Schuld ihrerseits, sondern einfach eine gegenseitige unüberwindliche Abneigung als Grund der Trennung angegeben werden möge, was ihr denn auch bewilligt wurde. Bald danach aber erschrak sie heftig, als sie den beigebrachten Motiven entnehmen mußte, daß nicht »unüberwindliche Abneigung«, sondern ein unerlaubter Briefwechsel die Scheidungsklage veranlaßt habe. Die junge Frau, wie sich denken läßt, wollte gegen diese Perfidie protestieren, indessen ihr nebenher auch noch im Solde der Gegenpartei stehender Anwalt gab ihr zu verstehen, daß es mit der »unüberwindlichen Abneigung« immer ein mißliches Ding sei, jedenfalls aber zeitraubend, und daß es kein besseres Mittel für sie gäbe, die Scheidung rasch durchzusetzen, als das Zugeständnis, einen solchen unerlaubten Briefwechsel geführt zu haben. Übrigens wurde ihr aus diesem Zugeständnis kein weiterer Schaden erwachsen; es handle sich einfach um Anerkennung der Tatsache. So, halb beschwatzt und halb in die Enge getrieben, gab die geängstigte, freilich zugleich auch von einem äußersten Verlangen nach Scheidung erfüllte Frau nach, nachdem man ihr noch die Zusatzworte zugestanden hatte, »daß sie sich, infolge von Eifersüchteleien ihres Gatten und eines jeden anderen Verkehrs beraubt, in gewissem Sinne gezwungen gesehen habe, mit befreundeten Personen wenigstens eine Korrespondenz zu führen«. Ob dieser ihr zubewilligte Satz in der Folge wirklich aufgenommen worden ist, hab ich nicht in Erfahrung bringen können, und nur eines, mein teurer und hochgeehrter Herr Vater, möge hier noch stehen, um Ihnen die schändliche List zu zeigen, mit der von seiten Elliots und seiner schwiegermütterlichen Komplicin in dieser Angelegenheit verfahren wurde.
    Das einzige Schuldobjekt, wenn denn schon von einem solchen die Rede sein soll, war die Korrespondenz. Aber wie stand es mit dieser? Es waren einfache Briefe, wie sie zwischen Freunden und Bekannten gewechselt zu werden pflegen, und die wenigen, aus denen vielleicht etwas in gesetzlichem Sinne Straffälliges hergeleitet werden konnte, waren ununterzeichnet. In der Tat, niemand mehr als Elliot selbst war von der au fond absoluten Bedeutungslosigkeit dieses angeblichen Schuldmaterials überzeugt. Aber was demselben an wirklicher Schuld fehlte, damit mußt es künstlich ausgestattet werden, und so trug denn Elliot eine beständige Sorge, daß die sogenannte »Schuldkorrespondenz« immer nur als ein mit vielen Gerichtssiegeln

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