Fünf Schlösser
mein teurer Herr Vater, soll nicht bestritten sein, daß im Laufe dieser Angelegenheit auch meinerseits allerhand Unklugheiten und Unvorsichtigkeiten begangen wurden, Unvorsichtigkeiten, die gewiß zu tadeln sind, aber unter gewöhnlichen Verhältnissen jedenfalls minder tadelnswert erscheinen würden. Ich hatte nur von Anfang an das Unglück, in diesem Ehrenhandel mit einem Menschen engagiert zu sein, der, schon von Natur ein Narr, bei jedem ausbrechenden Streit ein Verrückter, ein Tobsüchtiger wird.
Ich hoffe, mein teurer Vater, daß dies der letzte Kummer ist, den ich Ihnen bereitet habe. Wenn ich Ihnen wieder schreibe, so wird es geschehen, um Ihnen einen Plan vorzulegen, der, denke ich, Ihre Zustimmung finden soll. Ich bitte nur, ein ganz klein wenig meinem Urteil und meiner ruhigen Überlegung vertrauen und ein für allemal davon ausgehen zu wollen, daß meinerseits nichts geschehen wird, was Ihre oder meine Ehre zu kompromittieren imstande wäre. Ihr ergebener und gehorsamer Sohn George.
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8. Kapitel
Die Krautentochter wird in zweiter (heimlicher) Ehe Baronin Knyphausen
»Wenn ich Ihnen wieder schreibe, so wird es geschehen, um Ihnen einen Plan vorzulegen, der, denk ich, Ihre Zustimmung finden soll«, so hieß es am Schlusse des zuletzt mitgeteilten Briefes, aber es scheint nicht, daß es zu Vorlegung dieses oder irgendeines anderen Planes kam. Als der junge Freiherr in seinen brieflichen Mitteilungen fortfuhr, war das, was sich in jenem Briefe mehr oder weniger mysteriös angekündigt hatte, bereits ausgeführt, und anstatt einer zu diskutierenden Sache lag einfach eine Tatsache vor. Diese Tatsache hieß: Ehe zwischen Baron Knyphausen und Frau von Elliot. Am 1. Oktober 1783 hatte die Heirat stattgefunden, indessen zunächst nur heimlich und nach gegenseitigem Übereinkommen auch nur »auf Versuch«. Dem jungen Freiherrn aber, nachdem er die betreffende Mitteilung lange hinausgeschoben, lag es jetzt ob, über all dies an seinen »Herrn Vater« zu berichten. Er tat dies in einem langen und weit zurückgreifenden Exposé, weit zurückgreifend deshalb, weil er das Mißliche seiner Situation einsah und sich von einer im Zusammenhange gegebenen historisch-psychologischen Darstellung am ehesten noch eine gute Wirkung auf das Herz seines alten Vaters versprechen mochte.
Hoppenrade , 1. März 1784
Seit meinem letzten an Sie gerichteten Briefe haben sich Dinge vollzogen, die Sie, mein hochgeehrtester Herr Vater, aus dem einen Umstande schon, daß diese Zeilen das Datum Hoppenrade tragen, erraten werden. Ich habe mich, nachdem bereits am 30. Juni die Scheidung ausgesprochen war, am 1. Oktober v. J. mit Frau von Elliot, geborenem Fräulein von Kraut, verheiratet, aber heimlich und, was am verwunderlichsten erscheinen mag, auf Probe.
Die Reihe von Ereignissen, die zu diesem Schritte führte, bitt ich Ihnen noch einmal vor Aug und Seele stellen zu dürfen. Ich werde dabei manches, was ich schon in früheren Briefen sagte, wiederholen müssen, aber diese Wiederholungen werden kurz sein und keinen anderen Zweck verfolgen, als einen Zusammenhang in meiner Erzählung und einen Überblick über das Geschehene herzustellen.
Fräulein Charlotte von Kraut (ich nenne sie mit Vorliebe bei diesem ihren Geburtsnamen) wurde, dank ihrer Mutter, mit kaum sechzehn Jahren einem Manne ohne Geist und Herz, dem englischen Gesandten Mr. Elliot, vermählt. Auch er war jung, nicht über vierundzwanzig, und glich mehr einem Pagen als dem Minister und Bevollmächtigten einer großen Macht. Das Verhältnis zwischen beiden gestaltete sich bald so, wie sich's erwarten ließ und wie sich's überall gestalten wird, wo sich ein Kind mit einem Narren verheiratet. Indiskreter als irgendwer, den ich in meinem Leben kennengelernt habe, gefiel er sich darin, auf seiner regelmäßigen Vormittagstournée häusliche Szenen und eheliche Geheimnisse vor aller Welt auszukramen. Dabei kam es ihm auf die schreiendsten Widersprüche nicht an, und wenn er heute seine Frau an den Pranger gestellt hatte, konnte man sicher sein, sie morgen von ihm in den Himmel erhoben zu sehen. Dazwischen fielen Andeutungen, daß seine Frau gestört sei und zum mindesten der Überwachung, vielleicht sogar einer gelegentlichen Internierung bedürfe. Hinter Äußerungen wie diese, deren Unberechtigtheit Elliot selbst am besten kannte, stand übrigens nicht er, sondern die Mutter der jungen Frau, die mehrerwähnte Madame de Verelst, ein hochmütiges, von einem
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