Fünf Schlösser
Mutter, entrissen zu sein, wohl, er war ihr Retter gewesen und dazu schön und gesittet und klug. Ja, sehr klug sogar, und sie hatte sich seiner Überlegenheit gefreut. Aber dieser Klugheit und Überlegenheit war sie doch manchmal auch überdrüssig geworden, und als sich zu der unbequem werdenden geistigen Überlegenheit auch noch körperliche Krankheit und zu der körperlichen Krankheit ein bittres und menschenscheues Wesen zu gesellen begann, da hatte sie geseufzt, und die Liebe war geschwunden. Und was geblieben war, war Leid und Last.
All das überschlug sie jetzt und sah hinauf in den Abendstern, der eben durch die Dämmerung blitzte, blaß und zitternd, und sie frug ihn nach ihrem Glück. Und siehe, da war es, als ob er plötzlich heller aufleuchtete. War es der Stern? oder war es nur ihre Hoffnung, die sein Licht verdoppelte?
Zu Trost und Segen wurd es ihr, daß es viel zu tun gab. Alles Geschäftliche widerstritt eigentlich ihrer Natur, aber es war ihr jetzt willkommen, weil es ihr die Möglichkeit eines Verkehrs gewährte. Sie brauchte Leben und Menschen und sehnte sich um so mehr danach, je weniger ihr die nächste Verwandtschaft Anlehnung und Stütze bot. Nach Lützburg hin, an ihren Schwager Edzard, wurden wohl ein paar Briefe gerichtet, aber sie waren anders als zu Lebzeiten ihres ihren Stil und ihre Grammatik überwachenden Gatten und mochten bei dem Empfänger ein Lächeln wecken. »Es ist mir gesagt worden«, so hieß es in einem dieser Briefe, »daß in Lützburg versiegelt worden ist und daß diese Versiegelung vor neun Monaten nicht aufgehoben werden soll. Ich begreife, wie lästig dieses für Ihnen ist und so sagen Sie mir denn, liebster Bruder, ob ich an der Regierung soll schreiben lassen.« Am Berliner und auch am Rheinsberger Hofe waren diese Dativa nicht anstößig, aber in Lützburg ließen sie doch aufs neue fühlen, was der preußischen »Frau Schwester« fehlte, die, trotzdem sie »charmant« und voll natürlicher, vielleicht sogar überlegener Klugheit war, ihrem Benehmen und Wesen nach zu dem alten ostfriesischen Hause nicht recht passen wollte.
Wie sich um diese Zeit ihr Verhältnis zur eignen Mutter (wenn diese noch am Leben war) gestaltete, darüber erfahren wir nichts, ebensowenig darüber, um welche Zeit unsere »Krautentochter«, nunmehrige verwitwete Baronin von Knyphausen, ihr einsames Hoppenrade verließ, um wenigstens zeitweise wieder die Rheinsberger Luft zu atmen. Es kann aber kaum später als im Sommer 1790 gewesen sein, da wir sie schon vor Eintritt des Spätherbstes in Rheinsberg wieder verlobt und noch vor Abschluß des Jahres zum dritten Male verheiratet sehen. Verheiratet mit dem dem Prinz Heinrichschen Hofe zugehörigen Rittmeister von Arnstedt.
An die Sitte hatte man sich dabei nicht allzu rigorös gebunden, indem bereits vierzehn Tage vor Ablauf der Trauerzeit eine große Hochzeit ausgerüstet worden war, ausgerüstet von niemand Geringerem als dem Prinzen selbst, der bekanntlich eine große Vorliebe für Festlichkeiten hatte. Das war am 16. Dezember 1790 gewesen, und die Frau Baronin von Knyphausen war nun also Frau Rittmeister von Arnstedt .
Eigentlich war sie jetzt erst an ihrem Platz. An Elliot war sie durch Befehl, an Knyphausen, neben Dank und Liebe, durch die Verhältnisse gekommen; aber zu beiden hatte sie nicht recht gepaßt. Auch zu Knyphausen nicht. Er war ihr zu superior gewesen, zu klug, zu verständig, zu solide. Solche Vorwürfe ließen sich nun dem Rittmeister nicht machen. Er war hübsch und heiter, ein enfant gaté der Gesellschaft, ein bon camerade, ganz besonders aber kein Kopfhänger, vielmehr umgekehrt immer geneigt, einen Scherz zu machen und sich über das Morgen nicht zu grämen, solange nur das Heute noch allenfalls erträglich erschien. Das entsprach ihrer eigenen Natur. Vor allem war er weder Schotte noch Ostfriese, sondern ein allermärkischster Märker, der an Preußen und Rheinsberg glaubte, beides für etwas Besonderes hielt, ein Pferd über ein Buch, eine besetzte Tafel über ein Bild oder ein sonstiges Kunstwerk und einen Spieltisch über alles stellte. Das paßte. Nun gab es doch wieder Ausgelassenheiten, und an die Stelle von Elliotscher Eifersucht und Brutalität und nicht minder an die Stelle von Knyphausenscher Krankheit samt Trauer und Krepp (von Krepp, der ihr nicht einmal kleidete) konnte doch nun wieder ein Leben treten, ein Leben, das sich zu leben verlohnte. Sie lachte so gern. Und warum nicht? War sie doch noch
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