Fünf: Schwarzwald Thriller 1
Erwiderung seines Grußes zog sie daher nur ihre Augenbrauen nach oben und versuchte ansonsten, sich ihre Aufregung nicht anmerken zu lassen.
»Wie ich sehe, hast du schlecht geschlafen«, bemerkte er prompt. »Ein bisschen zickig heute, was?«
Darren hatte sie am Morgen schon auf ihre dunklen Augenringe aufmerksam gemacht. Sie hatte zwar versucht, sie zu überschminken, aber es schien ihr nicht so gut geglückt zu sein, wie sie gehofft hatte.
Horn und Darren standen jenseits der großen Scheibe und beobachteten, wie sie mit der Situation umging. Außerdem hatten sich auch Kriminalhauptkommissar Rittner aus Donaueschingen und Oberstaatsanwalt Völker zur Vernehmung eingefunden. Gut, dass Rainert von all dem nichts wusste, denn wie sie ihn kannte, hätte er sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen und wieder eine seiner Psychoshows abgezogen.
»Versuchen Sie, ihn zu einer Aussage zu überreden«, hatte Völker mit Nachdruck gesagt, bevor sie mit ihren Antworten bewaffnet das Verhörzimmer betrat.
»Was hast du mir zu bieten?«, fragte Rainert, als er endlich bemerkte, dass Katrin sich nicht auf ein Wortgeplänkel mit ihm einlassen wollte.
»Wir hatten, ehrlich gesagt, nicht allzu viele Schwierigkeiten damit, die Lösungen für Ihre Fragen zu finden. Ich hatte mit mehr von Ihnen gerechnet, Rainert. Sie sind weit hinter meinen Erwartungen zurückgeblieben.« Sie lehnte sich über den Tisch und grinste ihn an. »Sie sind ein Versager, Rainert. Wenn Sie in der Erwachsenenliga spielen sollen, sind Sie ein Versager.« Kaum waren die Worte aus ihr herausgesprudelt, bereute sie sie schon, und Rainerts Reaktion ließ keinen Zweifel daran, dass sie besser nichts gesagt hätte.
Seine Augen zogen sich zu schmalen, bösartigen Schlitzen zusammen. Dann schrie er plötzlich wild auf, und ehe Katrin reagieren konnte, war er schon aufgesprungen. Der Polizist, der bisher ruhig und mit abwesender Miene in einer Ecke gestanden hatte, sprang ihr sofort zu Hilfe, aber Rainert machte keine Anstalten, Katrin anzugreifen.
»Das war Melissa Wagners Todesurteil, Katrin Schwarz«, sagte er mit leiser, kalter Stimme.
»Marianne Volz ist …«, erwiderte sie ebenso kalt. »Sehen Sie, Rainert, wir haben Ihre Botschaft hinter den Rätseln gefunden.«
Ralf Rainerts Gesicht wirkte wieder völlig ruhig, der Ausdruck in seinen Augen gelassen und entspannt, als er mit erschreckender Endgültigkeit seinen Kopf schüttelte. »Zu spät, Katrin«, sagte er. In seiner Stimme lag nicht der leiseste Hauch von Bedauern. »Mit mir spielt man nicht. Niemand. Niemals. Ich hatte dich davor gewarnt, mich nicht ernst zu nehmen. Jetzt musst du die Konsequenzen tragen.« Er fixierte sie, ehe er weitersprach, als wollte er sicher sein, dass jedes seiner Worte dort traf, wo es treffen sollte. »Kannst du es schon sehen, Katrin? Kannst du schon sehen, wie Melissas Blut deine Hände rot verfärbt? Wie sich die Schuld an ihrem Tod wie ein bösartiges Geschwür in deine Haut frisst?«
Katrin schüttelte den Kopf. Sie wollte etwas erwidern, aber eine Handbewegung Rainerts ließ sie verstummen.
»Genieße deine Tage, Katrin, denn deine Nächte werden furchtbar sein.«
»Sagen Sie mir, was Sie erwarten, Rainert.« Sie hoffte vergeblich auf eine Antwort. Als er sich zu ihr umdrehte und ihr ins Gesicht sah, wusste sie, dass es nichts mehr gab, was ihren Fehler wiedergutmachen würde.
*
»Das haben Sie ja ganz schön vermasselt, Frau Schwarz«, sagte Oberstaatsanwalt Völker mit vor Wut verengten Augen.
»Ich habe getan, was Sie mir befohlen haben.« Eigentlich war sie überhaupt nicht in der Stimmung, sich auf eine faule und vor allem sinnlose Diskussion einzulassen, aber diesen Misserfolg konnte und wollte sie nicht auf sich sitzen lassen. »Sie haben gesagt, dass ich ihn provozieren soll, um zu sehen, ob er sich zu einer unbedachten Äußerung hinreißen lässt.« Hilfe suchend drehte sie sich zu Horn um, der seit Rainerts theatralischem Abgang noch kein Wort gesagt hatte. »Ich hatte Herrn Völker gewarnt, Josef, und ihm mehrfach gesagt, dass man mit Rainert keine Winkelzüge machen darf.«
Horn hob nur langsam den Kopf. Er rang um Worte, setzte an, etwas zu sagen, blieb aber dann doch stumm.
Er tat ihr leid. Seine Frau lag mittlerweile ohne Bewusstsein auf der Intensivstation des Krankenhauses und rang, so wie er erzählt hatte, mit dem Tod, und jetzt schien auch die letzte Tür zugeschlagen worden zu sein, die noch ein Rettungsweg für Melissa
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