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Fünf Tanten und ein Halleluja

Fünf Tanten und ein Halleluja

Titel: Fünf Tanten und ein Halleluja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Steiner
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wann hast du denn das letzte Mal hier sauber gemacht?«
    Jetzt drehten sich alle zu ihm um.
    Tonis Herz setzte einen Schlag aus. Fiebrig suchte er nach irgendwelchen Ausflüchten.
    Doch dann keimte plötzlich Ärger in ihm auf. Er hatte seine Tanten doch nicht mal eingeladen, das hatten sie selbst getan. Ganz im Gegenteil: Er hätte sein altes Leben in Papenburg am liebsten ein für allemal hinter sich gelassen. Und jetzt standen seine Tanten hier herum und machten ihm das Leben zur Hölle.
    Er fasste sich ein Herz, ging zu seiner Zimmertür und zog sie mit einem kräftigen Ruck ins Schloss.
    Â»Ich habe NEIN gesagt!«, fauchte er.
    Tante Ebba war völlig perplex.
    Â»Was in diesem Raum ist, geht dich gar nichts an.«
    Tante Ebba starrte ihn an. So hatte er noch nie mit ihr gesprochen. Sein Herz klopfte wild, doch er wollte keinesfalls einlenken. Er ging zurück in die Küche.
    Â»Setzt euch doch«, sagte er. »Der Kaffee ist gleich fertig.«
    Er stellte die Maschine ein und begann den Kuchen zu schneiden, den er am Morgen in der Bäckerei besorgt hatte. Seine Tanten setzten sich stumm an den Tisch.
    Toni atmete durch. Er durfte sich nichts anmerken lassen.
    Â»Soll ich dir mit dem Tischdecken helfen?«
    Das war Tante Claire, sie schlug einen versöhnlichen Ton an. Toni nahm ein paar Teller aus dem Schrank und gab sie ihr. »Danke«, sagte er.
    Siehst du, Toni?, dachte er. Ist doch gar nicht so schlimm. Sag einfach, was du willst, und dann wirst du diesen Besuch schon über die Bühne bringen. Du darfst nur keine Schwächen zeigen.
    Er zog die Besteckschublade auf. Sofort waren seine guten Vorsätze vergessen. Zwei Kuchengabeln. Er besaß nur zwei Kuchengabeln. Für fünf Tanten. Und er wusste doch, wie viel Wert Tante Ebba auf solche Dinge legte.
    Panisch sah er sich um. Was sollte er denn nur machen?
    Ohne seine Mutter wirkte das Haus düster und leer. Am Ende hatte sie zwar kaum noch ihr Zimmer verlassen. Trotzdem war es jetzt anders, und Toni spürte ihre Abwesenheit. Die Stille war erdrückend.
    Sein Koffer wog schwer. Doch der Vater machte keine Anstalten, ihn ihm abzunehmen. Er stand auf der Schwelle und starrte ihn an.
    Â»Da bist du ja«, sagte er schließlich.
    Â»Guten Tag, Vater.«
    Er betrachtete Toni wie einen Fremden. »Es gibt gleich Essen.« Dann verschwand er.
    Toni hievte den Koffer hinauf in sein Kinderzimmer. Der Raum war kühl, und die Dämmerung tauchte ihn in blaues Licht. Er sah sich um. Ab jetzt würde er hier leben und nicht mehr bei seinen Tanten.
    Er ging hinunter in die Küche und setzte sich an den Tisch. Der Vater hatte Bratkartoffeln und Spiegelei gemacht. Toni betrachtete den Teller. Er aß grundsätzlich nichts, was in der Pfanne braun geworden war. Alle wussten das, selbst Tante Helga.
    Â»Ich werde jetzt öfter für uns kochen«, knurrte sein Vater und begann, das Essen in sich hineinzustopfen.
    Er hob den Kopf und wurde laut. »Jetzt iss!«
    Und Toni aß.
    Später sah er durch sein Fenster in den Sternenhimmel. Er war jetzt auf sich allein gestellt.
    In dieser Nacht schwor er sich durchzuhalten. Er würde geduldig warten, bis er erwachsen war. Und dann konnte er überall hingehen und alles hinter sich lassen. Es war nur noch eine Frage der Zeit.
    Die Stimmung an der Kaffeetafel war angespannt. Die Tanten saßen in übertrieben aufrechter Haltung vor ihren Tellern und aßen artig ihren Kuchen. Mit Teelöffeln. Von Zeit zu Zeit nippten sie an den Tassen und lobten höflich Tonis Kaffee. Ansonsten wurde kaum geredet. Bis Tante Ebba schließlich das Wort ergriff.
    Â»Was verdient man denn so an einem kleinen Theater?«
    Â»Ebba!«, kam es von Tante Claire.
    Â»Ich frag ja nur.« Ebba schloss eine Faust um ihre Serviette. »Ich habe neulich mit Helene Bruns gesprochen, du weißt schon, von Tapeten Bruns hinter der Kirche, und Helenes Ältester, der Daniel, arbeitet seit ein paar Jahren in München bei einer Produktionsfirma fürs Fernsehen. Einen guten Job hat er da, tadellos. Er verdient eine Menge Geld und fährt sogar einen Porsche. Jedenfalls meint der Daniel wohl, bei den Berliner Theatern ist kein Geld zu machen. Schon gar nicht bei den kleinen. Da reicht die Schauspielergage nicht mal zum Leben. Sagt Daniel. Und da frage ich mich …«
    Â»Ich komm schon zurecht, Tante Ebba.«
    Â»Aber stimmt das denn, was die Helene sagt?

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