Fünf Tanten und ein Halleluja
habe nie gesagt, dass ich eine Freundin habe! Ich habe nur gesagt, dass ich verliebt bin. Mehr nicht. Was kann ich denn dafür, wenn die sich da was zurechtlegen.«
»Weil du ja nicht schwul bist.«
Wenn Toni gerade noch geglaubt hatte, Kayla würde ihn heute schonen, dann hatte er sich wohl getäuscht.
»Ich möchte einfach nicht gezwungen sein, mich selbst in irgendwelche Schubladen zu stecken, nur weil meine altbackene Verwandtschaft noch hinterm Mond lebt.«
Kayla lächelte. »Sehr praktisch, oder? Wenn man es so sieht, gibt es nämlich überhaupt keinen Grund mehr, sich zu outen. Keinen Familienstress, keine Tränen, keine Schuldzuweisung. Alles bleibt beim Alten. SchlieÃlich bist du ja gar nicht schwul.«
»Herrgott, Kayla â¦Â«
Das Telefon erlöste ihn. Es klingelte irgendwo im Nebenraum. Dankbar sprang Toni auf und machte sich auf die Suche. Aber da verstummte es schon, und Lutz tauchte mit verschlafenem Gesicht in der Küche auf. Er trug das Gerät wie einen erwachten Säugling vor sich her.
»Toni, es ist für dich ⦠deine Agentin.«
O nein. Nicht jetzt. Viktoria Glück rief natürlich an, um nach dem Casting zu fragen. Toni machte ein dramatisches Gesicht und legte den Finger an die Lippen.
»Sag ihr, ich bin nicht da«, raunte er. »Ich bin grad einkaufen oder so und melde mich später.«
Lutz schien zu überlegen, ob ihn das überforderte. Doch dann nickte er und hielt sich das Telefon wieder ans Ohr.
»Ich glaub, Toni ist grade einkaufen. Jedenfalls ist er nicht in seinem Zimmer. Sorry, ich dachte, er wäre hier. Ich sag ihm einfach, er soll gleich zurückrufen, wenn er wiederkommt, okay?«
Er lauschte eine Weile angestrengt in den Hörer. Toni wurde unruhig. Was gab es denn da noch zu besprechen?
»Gut, ich verstehe«, sagte Lutz. Dann blickte er auf. »Ich soll dir sagen, sie ruft nicht wegen âºHerzen in Aufruhrâ¹ an. Du brauchst also keine Angst vor ihr zu haben. Es geht um ein anderes Angebot. Eine Rolle, bei der es ziemlich eilt. Viel besser als âºHerzen in Aufruhrâ¹.« Lutz lächelte zerknirscht. »Bist du jetzt doch nicht einkaufen?«
Aus dem Telefon drang verzerrt die rauchige Stimme von Viktoria Glück. »Toni, jetzt geh schon ran! Es ist dringend!«
4.Kapitel
DER GRAF VOM STRAHL (wendet sich zu Käthchen, die noch immer auf den Knieen liegt).
Willt den geheimsten der Gedanken mir,
Kathrina, der dir irgend, faà mich wohl,
Im Winkel wo des Herzens schlummert, geben?
KÃTHCHEN. Das ganze Herz, o Herr, dir, willt du es,
So bist du sicher des, was darin wohnt.
DER GRAF VOM STRAHL.
Was ists, mit einem Wort, mir rund gesagt,
Das dich aus deines Vaters Hause trieb?
Was fesselt dich an meine Schritte an?
KÃTHCHEN. Mein hoher Herr! Da fragst du mich zuviel.
Und läg ich so, wie ich vor dir jetzt liege,
Vor meinem eigenen BewuÃtsein da:
Auf einem goldnen Richtstuhl laà es thronen,
Und alle Schrecken des Gewissens ihm,
In Flammenrüstungen, zur Seite stehn;
So spräche jeglicher Gedanke noch,
Auf das, was du gefragt: ich weià es nicht.
Es war schon erstaunlich. Claire konnte noch immer den kompletten Text auswendig. Jedes einzelne Wort, als wäre kein einziger Tag seit damals vergangen. Dabei waren es knapp vierzig Jahre, seit sie das Käthchen von Heilbronn gegeben hatte. Auf der Bühne in der Aula des Gymnasiums von Papenburg. Natürlich nur mit einer Laienspielgruppe, aber das war nicht von Bedeutung. Nach jeder Aufführung hatte es begeisterten Applaus gegeben, vor allem für Claire. Damals sagten die Leute, sie müsste zum Theater oder zum Film. Mit ihrem Aussehen und ihrem Talent hätte sie das Zeug, ein Weltstar zu werden. Das war natürlich Unsinn. Trotzdem. Jedes Mal, wenn in der Aula das Scheinwerferlicht aufflammte, hatte sich Claire tatsächlich ein bisschen so gefühlt, als wäre sie bereits ein Star.
Natürlich war sie nicht zum Film gegangen, wie denn auch. Es waren eben andere Zeiten gewesen damals. Ihre Schwestern hatten nie erfahren, wie ernst es ihr mit der Schauspielerei gewesen war. Keiner wusste das. Aber selbst heute spürte Claire immer noch ihren Herzschlag, wenn sie daran dachte, wie sie damals ins Bühnenlicht getreten war.
Und nun konnte Toni ihren Traum verwirklichen. Es fühlte sich wie ein Geschenk an. Gut, dass die Zeiten sich geändert hatten und er die
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