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Fünf vor Zwölf - Und kein Erbarmen

Fünf vor Zwölf - Und kein Erbarmen

Titel: Fünf vor Zwölf - Und kein Erbarmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Eisheiligen …«
    Gladon geht als erster nach unten in die Barkasse. Beim Aufsprung verschiebt sich seine Mütze nach hinten. Ein Stück kahler Schädel wird enthüllt. Der schlaksige Brite zieht sich die Mütze sofort wieder über den Kopf.
    Straff klettert als nächster nach unten.
    »He«, ruft ihn in diesem Moment der zurückkommende Hauptsturmführer Krappmann an, »schon wieder an Land, du feiner Pinkel?«
    Vielleicht verrät sich Georg durch seine Bewegung, oder der Engländer, jedenfalls wird der Vogelkopf mißtrauisch, kommt näher.
    »Los!« Christian will Georg in die Barkasse stoßen.
    »Stop, meine Herren!« brüllt Hauptscharführer Dreiling.
    »Weiter!« zischt Christian. Dann sieht er auf und starrt direkt in Krappmanns Maschinenpistole.
    Die drei müssen wieder an Oberdeck zurück. Es gibt nichts zu erklären und nichts zu verteidigen.
    Der Fall ist klar.
    »Schau, schau«, sagt der Hauptsturmführer in ehrlicher Freude. »Wußte doch, daß es mit diesem geschniegelten Marinebock noch ein böses Ende nimmt.« Er fährt einen Rottenführer an: »Los holen Sie den Sturmbannführer! – Na, ihr Lieben«, wendet er sich an die drei geschnappten Ausreißer, »sucht euch mal 'nen schönen Mast hier aus!«
    Straff sieht sich um.
    Weit und breit keine Hilfe, und er hat alle Waffen, selbst seine eigene Pistole, Melber für alle Fälle gegeben. Feierabend, denkt er.
    In diesem Moment betritt SS-Sturmbannführer Langenfritz das Oberdeck. »Meine Herren«, sagt der SD-Mann, »kurzer Prozeß. Standgericht. Hauptsturmführer Krappmann und Hauptscharführer Dreiling, ich ernenne Sie zu Beisitzern.« Er grinst kalt und sagt zynisch im Stehen: »Die Sitzung ist eröffnet …«
    Die Royal Air Force gab das Ergebnis der Luftaufklärung über der Neustädter Bucht sofort an die englische Marine weiter. Aber dort winkte man ab.
    »Was soll der Truppentransporter?« sagte ein alter Korvettenkapitän. »Wo soll er landen? Wenn er 30.000 Tonnen hat, ist sein Tiefgang zu groß, dann könnte er höchstens Kiel oder Lübeck anlaufen … Beide Städte werden gerade von unseren Panzern überrollt … Und wenn der Kahn es wagen sollte, dort Leute an Land zu setzen, dann dreschen wir ihn zusammen wie eine alte Feldscheune.«
    Im Endspurt flogen die englischen Jabos und Bomber drei, vier Einsätze an einem Tag, je nach Dringlichkeit. In erster Linie hatten sie die Operationen ihrer Panzertruppen zu unterstützen. So rutschte der Befehl, den unbekannten Truppentransporter zu versenken, automatisch nach hinten. Trotzdem hielt die englische Luftwaffe die Bucht weiter unter Kontrolle. Immer wieder meldeten Aufklärer, daß der vermutliche Truppentransporter noch bewegungslos in der alten Position liegt.
    »Um so besser«, brummelte der Corvettenkapitän, »Morgen ist auch noch ein Tag …«
    Der Angriff wird auf den 3. Mai verschoben. Mittags, kurz nach 14 Uhr, startet jetzt ein Verband der Royal Air Force mit dem Befehl, die Schiffe in der Neustädter Bucht, vor allem den Truppentransporter, anzugreifen und zu versenken.
    In geschlossener Formation brummen die Flugzeuge zielstrebig an das Einsatzziel heran …
    Jutta, die Freundin des Funkoffiziers Straff, arbeitet wie ein Roboter. Ihr Gesicht verschwindet unter der Schwesternhaube. Sie steht neben Dr. Corbach im Lazarettdeck und schuftet bis zum Umfallen, als müßte sie, die Zwanzigjährige, gutmachen, was ihr Vater, der SS-Sturmbannführer Langenfritz, an diesen armen Menschen verbrochen hat.
    »Los!« sagt Funkmaat Möhrenkopf und reißt sie am Arm.
    Jutta versteht ihn nicht.
    »Rasch … nach oben … Sie haben den Kaleu geschnappt … Mädchen, wenn Sie jetzt nicht ein Wunder bewirken, dann …«
    Zunächst begreift Jutta nur, daß Christian in Gefahr ist. Sie erschrickt. Maat Möhrenkopf verfolgt erleichtert diese Regung auf ihrem Gesicht. Wenigstens ist sie aus der Trance heraus, denkt er. Er zieht Jutta nach oben.
    Die Krankenschwester zögert, als sie SS-Sturmbannführer Langenfritz sieht.
    Sie geht mit den Schritten einer Seiltänzerin auf ihren Vater zu, den sie seit der Trennung ihrer Eltern seit Jahren nicht mehr sah.
    Der SD-Führer betrachtet sie wie ein Gespenst. »Du?« sagt er verwirrt. »Du?« wiederholt er verstört …
    An diesem 3. Mai des Jahres 1945, Stunden oder Tage vor dem deutschen Weltuntergang, spannt sich ein endlos blauer Himmel über der gequälten, zuckenden, blutigen Erde wie ein riesiges Zelt. Die Sonne badet im Meer; ihr goldener

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