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Fünf

Fünf

Titel: Fünf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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waren sie sich über den Inhalt: Birnenschnaps. Sie saßen da, wo Sie jetzt hinleuchten, Beatrice. Nur dass dort damals eine Wiese war, mit Glockenblumen, Margeriten und Steinnelken. Dann kam Lukas aus dem Wald.»
    «Ihr Sohn.»
    «Ja. Beil sagte, er habe Pfeil und Bogen dabeigehabt und sei mit Erde beschmiert gewesen. Sie hätten ein bisschen mit ihm geplaudert. Er hätte ihnen erzählt, dass er hier Urlaub machte, seine Eltern sich eben gestritten hätten und er deshalb lieber im Wald jagen gehen wollte. Daraufhin bot Estermann ihm einen Zug aus dem Flachmann an.»
    Sigarts Stimme war leiser geworden, er räusperte sich und sprach in normalem Ton weiter. «Estermann sagte natürlich, es sei Beil gewesen. Die anderen dürften davon nicht viel mitbekommen haben, weil sie weiter entfernt saßen, Papenberg konnte sich allerdings daran erinnern, dass es im Gespräch zwischen Lukas und den beiden Männern etwas lauter geworden war. Am Ende trank er jedenfalls und lief dann zurück zur Hütte.»
    In Gedanken sah Beatrice nicht Lukas, sondern Jakob laufen, hastig schüttelte sie die Vorstellung ab.
    «Miriam, meine Frau – sie war wunderbar, wissen Sie? Nur wenn sie wütend war, wurde sie unberechenbar. An diesem Tag hatte ich sie schon sehr verärgert, und dann kam Lukas zur Tür herein und erzählte, ein Mann hätte ihm Schnaps gegeben … Sie können sich vorstellen, wie sie reagiert hat. Papenberg hat mir genau geschildert, wie Miriam aus der Hütte geschossen kam, Estermann anbrüllte, ihm die Flasche aus der Hand riss und den restlichen Inhalt ins Gras leerte.»
    Hatte Sigarts Aufmerksamkeit nachgelassen? Er schien nach innen zu blicken, auf die Bilder, die seine Erzählung entstehen ließ, aber gleichzeitig reagierte er sofort auf jede von Beatrices Bewegungen, die Waffe war immer noch auf sie gerichtet. Sie entschied sich zu warten.
    «Estermann reagierte auf Miriams Ausbruch nicht sehr verständnisvoll. Er schrie zurück, sie hätte ihm sein Eigentum weggenommen und werde es ihm gefälligst ersetzen. Fünfzig Euro, und sie seien quitt. Miriam sagte, das Einzige, was er von ihr bekommen würde, wäre eine Anzeige wegen Körperverletzung, schließlich habe er einem Kind Alkohol eingeflößt.»
    Im Lichtkegel der Taschenlampe wiegten sich nur die dünnen Äste einer jungen Fichte, trotzdem war die Szene für Beatrice fast mit Händen zu greifen.
Er ist kein netter Mann
, hatte Graciella Estermann gesagt.
    «Ihm mit der Polizei zu drohen war wohl Miriams entscheidender Fehler», fuhr Sigart fort. «Sie ging in die Hütte zurück. Er sprang auf und folgte ihr. Die anderen dürften versucht haben, ihn zu beruhigen. Beil und Liebscher erklärten mir beide, sie hätten sich bemüht, ihn aufzuhalten, doch Estermann hätte sie zur Seite gestoßen. Er riss einfach die Tür auf, stellte die Hütte auf den Kopf und kam erst wieder heraus, als er Miriams Handy hatte. ‹Sie zeigen niemanden an›, sagte er und zertrümmerte das Telefon mit einem Stein. Noch etwas, woran sich alle gleichermaßen erinnern konnten.»
    Fast ohne es zu merken und ohne dass Sigart protestierte, hatte Beatrice sich umgewandt, sie leuchtete zu der Stelle hin, an der die Hütte sich befunden hatte.
    «In der Zwischenzeit weinten die Kinder, alle drei. Während Christoph Beil, der Estermann am besten kannte, versuchte, ihn zu beruhigen, sprach Melanie Dalamasso mit Hanna und Lukas, begann, ihnen etwas vorzusingen, zitterte dabei aber selbst am ganzen Leib. Miriam war mit Oscar beschäftigt, der wie am Spieß brüllte. Liebscher und Papenberg hielten sich abseits – leuchten Sie bitte weiter nach links? Noch ein Stück? Ja, danke. Ungefähr hier.»
    An der von Sigart bezeichneten Stelle machten sich ein Himbeer- und ein Brombeerstrauch gegenseitig den Platz streitig.
    «Papenberg wollte nur weg. Sie fand den
Arsch im karierten Hemd
, wie sie Estermann nannte, zum Kotzen und die Situation widerlich. Ja, erwiderte Liebscher, nur sollten sie sichergehen, dass die Frau aus der Hütte sie nicht doch noch anzeigen würde. Er sei Lehrer, und sein Direktor verstehe in Disziplinarangelegenheiten keinen Spaß. Mit diesem Argument rannte er bei Nora offene Türen ein, denn sie hatte erst kürzlich ihren Agenturjob angetreten und wollte keinesfalls in etwas Unangenehmes verwickelt werden. Sobald Estermann aus dem Weg wäre, wollten sie mit der Frau reden und nach einem Weg suchen, sie für ihr kaputtes Handy zu entschädigen.»
    Eine gute Idee, dachte Beatrice.

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