Fünf
andere, der mit dem Muttermal auf der Hand, redete auf sie ein und trug sie fast den Berg hinunter
.» Mit seiner verbundenen Hand strich Sigart über den Pistolenlauf. «Genau weiß ich nicht, was sie dann mit ihr getan haben. Wahrscheinlich hat Beil ihr gesagt, sie könnten sich nie wieder sehen, wenn sie nicht stillhalte. Und Estermann wird sich mit so subtilen Drohungen nicht begnügt haben. Das sind aber nur Vermutungen.»
Melanie, zerrissen zwischen ihrer Liebe zu Beil und ihrem Gewissen. Gut möglich, dass Estermann sich kurz darauf bei einer Probe zu einem Sommerkonzert des Mozarteums hat blickenlassen, dachte Beatrice.
«Wieso», flüsterte sie, «haben Sie ausgerechnet Liebscher zerstückelt? Doch nicht, weil es seine Zigarette war?»
Kurzes Auflachen. «Nein. Aber sehen Sie – die anderen fühlten sich immerhin so schuldig, dass sie es nicht mehr über sich brachten, weiterhin Caches suchen zu gehen. Oder lassen Sie es Angst vor Entdeckung gewesen sein, meinetwegen. Keiner von ihnen war noch aktiv, als ich die Einträge aus dem Logbuch mit den Profilen auf der Seite verglichen habe. Bis auf Liebscher. Da diese verfluchten Dosen ihm offenbar so wichtig waren, fand ich es nur konsequent, ihn in ebensolche zu verpacken.»
Der Arm, mit dem Beatrice die Taschenlampe hielt, wurde langsam taub. «Und das, was nicht in die Caches gepasst hat? Beine, Arme, Torso?»
Es war beinahe ein Lächeln, das Sigarts Lippen teilte. «Verbrannt», flüsterte er.
Natürlich. Jede von Sigarts Taten erzählte die Geschichte, in der sie wurzelte, keine einzige Entscheidung hatte er zufällig getroffen.
Die Taschenlampe in Beatrices Hand zitterte und malte Lichtschlingen in den Wald. Wenn er mit seiner Erzählung fertig war, würde das folgen, was er das Ende genannt hatte. Angestrengt horchte sie in die Nacht hinaus. Keine Motoren, keine Sirenen. Die SMS , die Sigart in ihrem Namen geschickt hatte, hatte Florin wohl keinen Verdacht schöpfen lassen.
Sie räusperte sich und versuchte, zuversichtlich zu klingen. «Ich kann Ihre Schritte nachvollziehen, denke ich. Aber ich passe nicht in Ihr Schema hinein. Ich war an diesem Tag nicht dabei, ich hatte mit dem Fall nichts zu tun.» Lassen Sie mich gehen, hing unausgesprochen zwischen ihnen.
Sein Schweigen gab ihr Hoffnung und jagte ihr gleichzeitig Angst ein. Überlegte er, sie zu schonen? Vorhin, im Keller, hatte er ihr eine kleine Überlebenschance eingeräumt.
Das heißt immerhin, er schießt mir keine Kugel durch den Kopf
. Beatrice zwang sich, ihren Blick von der Waffe ab- und Sigart zuzuwenden.
Als er wieder sprach, tat er es mit so leiser Stimme, dass sie vom Rauschen des Waldes fast übertönt wurde. «Vier Jahre», sagte er. «So lange habe ich mich gefragt, ob ich die Hütte selbst abgeschlossen haben könnte. Aus Unaufmerksamkeit, weil meine Gedanken schon bei der fohlenden Stute waren. Dass ich im entscheidenden Moment nicht hier war, um Estermann selbst gegenüberzutreten, das wird mir nachhängen, solange ich lebe.» Er maß Beatrice mit nachdenklichem Blick. «Können Sie sich vorstellen, wie es ist, sich vier Jahre lang jede Minute zu fragen, ob man die Falle, in der Frau und Kinder verbrannt sind, mit eigenen Händen angelegt hat? Ich habe täglich versucht, mir noch einmal jeden Handgriff zu vergegenwärtigen, vom Moment an, in dem ich das Haus verließ, bis zu dem, als ich ins Auto stieg. Wissen Sie, wie es ist, nie zu einem klaren Ergebnis zu kommen? Manchmal war die Hüttentür in meiner Erinnerung offen, dann wieder geschlossen, die Schlüssel waren in meiner Hand – oder doch in meiner Tasche? Jeden Tag, mehrmals. Das alles hätte mir erspart bleiben können, wenn die Polizei sorgfältiger ermittelt hätte.»
Sigart trat einen Schritt näher, hinter sie, und Beatrice erwartete jeden Moment, den Pistolenlauf am Kopf oder im Nacken zu spüren, doch dann war es nur sein Atem. «Ich habe den Cache im Brunnen gefunden. Wieso nicht Ihre Kollegen? Ich habe die wahren Namen hinter den Nicknames entschlüsselt, die Verdächtigen befragt, die Hintergründe des Todes meiner Frau und meiner Kinder geklärt – all das getan, was Aufgabe der Polizei gewesen wäre.»
Sie musste etwas erwidern, auch wenn sie nicht sicher war, ob es klug war. «Aber mit Mitteln, derer wir uns nie bedienen würden.»
«Sie haben andere, bessere. Einen ganzen Apparat mit Technikern und Labors, mit allem, was für Geld zu haben ist.» Seine verstümmelte, verbundene Hand legte sich
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