Fünf
«Welche Tür ist die zum Badezimmer?»
«Rechts, die zweite.»
Es war groß, in elegantem Grau gefliest und viel zu hell beleuchtet. Der Spiegel zeigte Beatrice ihr blasses Gesicht, die müden Augen, die dunklen Ringe darunter. Sie überlegte kurz, ob sie sich die Lippen nachziehen sollte, verwarf den Gedanken aber umgehend als lächerlich.
Stattdessen schaufelte sie sich ein wenig Wasser ins Gesicht und sah auf die Uhr. Gleich zwölf.
«Ich muss fahren», erklärte sie bei ihrer Rückkehr ins Wohnzimmer.
«Oder du schläfst hier.» Er hob beschwichtigend die Hände, bevor sie widersprechen konnte. «Ich habe ein Gästezimmer mit jeder Menge Privatsphäre, und nein, du machst mir keine Umstände.» Er wies auf eine Tür hinter sich. «Es wäre mir wirklich lieber. Wir haben doch mehr als nur ein Glas getrunken.»
Es war weniger der Gedanke an die zehn Minuten Fahrt als vielmehr die Vorstellung von ihrer leeren Wohnung mit den nachts läutenden Telefonen, die Beatrice schließlich zustimmen ließ.
Als Christoph Beil erwachte, bestand die Welt um ihn aus tiefster Finsternis. Für einige Sekunden durchströmte ihn grenzenlose Dankbarkeit.
Er hatte es geträumt.
Im nächsten Moment kehrte der Schmerz zurück. Die wunden Handgelenke hinter seinem Rücken brannten und pochten, jedes Schlucken fühlte sich an, als scheuerten Nägel an seinem Kehlkopf. Alles real. Nichts überstanden.
Aber wenigstens schien er jetzt allein zu sein. Er hielt die Luft an und horchte, ob immer noch jemand im gleichen Raum atmete. Und er hörte etwas, doch das konnte auch der Wind sein. Ein leiser, zarter Hauch zwischen Blättern.
Allmählich begriff er , dass die Dunkelheit nicht gleichbedeutend mit Nacht sein musste. Etwas war um seinen Kopf gebunden und über seinen Augen festgezurrt worden.
Die Schlinge um seinen Hals war fort, und er saß jetzt, aber dennoch waren die Schmerzen in seiner Kehle kaum zu ertragen. Er versuchte, nicht zu schlucken, doch davon wurde es nur schwieriger. Seine Speicheldrüsen arbeiteten, als ob sein Wissen um ihre Existenz sie zu Höchstleistungen antrieb.
Es tat so weh.
Er wimmerte, unwillkürlich. Dachte an die Polizistin mit dem Honighaar, die ihm eine Chance gegeben hatte. Wünschte sich zurück, mit all seiner verbliebenen Kraft.
Da. Ein Geräusch. Er hob den Kopf und unterdrückte nur mit Mühe ein Schluchzen. Versuchte zu sprechen, doch seine Stimme war nur ein Raspeln und bebte so sehr, dass man kaum ein Wort verstehen konnte. Beim dritten Versuch gelang ihm ein ganzer Satz.
«Werden … Sie mich gehen lassen?»
Er bekam keine Antwort. Vielleicht hatte er sich auch getäuscht und war noch allein, und sein Bewusstsein spielte ihm Streiche. Das wäre gut. Besser als die Alternative.
Erst als er das Räuspern hörte, war ihm klar, dass seine Sinne einwandfrei funktionierten. Er bäumte sich gegen seine Fesseln auf. «Bitte, lassen Sie mich gehen, ich habe Ihnen alles gesagt!»
Eine Hand auf seinem Kopf, fast liebevoll. Und dann die Stimme. «Das ändert nichts daran, dass ich immer noch nicht genug weiß.»
Der Morgen war sonnig und hell, er zwängte sich streifenförmig zwischen den breiten Lamellen der halbgeschlossenen Jalousie in den Raum. Anders als sonst erwachte Beatrice nur allmählich, driftete langsam und träge an die Oberfläche ihres Bewusstseins.
Das Shirt, das sie trug, roch nach fremdem Waschmittel. Weil … sie nicht zu Hause war, sondern in Florins Gästezimmer. Sie setzte sich auf, mit dem Gefühl, viel zu lange geschlafen zu haben, doch laut ihrer Armbanduhr war es erst halb sieben. Ihr zweiter Blick galt ihrem Handy, und obwohl sie sicher war, dass eine eintreffende SMS sie geweckt hätte, überprüfte sie den Eingang. Nichts.
Auf bloßen Füßen machte sie sich auf den Weg zum Badezimmer. Florin stand mit nassem Haar vor dem Herd und briet Eier. «Handtücher habe ich dir auf den Hocker neben der Dusche gelegt, alles andere findest du beim Waschbecken», rief er.
Während sie sich die Zähne putzte, fragte sich Beatrice, woran es lag, dass sie sich viel frischer fühlte, als es sonst um diese Tageszeit der Fall war. Und jünger, es erinnerte sie an ihre Zeit als Studentin, an Übernachtungen in fremden WG s nach langen Partys, an –
Sie schob den Gedanken weg, spuckte den Schaum ins Waschbecken, stellte sich unter die Dusche und begann, den Tag zu planen. Es galt, eine Schlüsselfigur zu finden.
«Wir haben uns die ganze letzte Nacht um die Ohren
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