Fünf
Gleichbedeutend mit: angenehm. Frauen, die ihn besuchen kamen? Nein. Freunde, Kollegen? Sehr selten.
Als sie wieder im Auto saßen, war es halb elf. Beatrice warf einen möglichst unauffälligen Blick auf das Display ihres Telefons. Der Owner hatte ihr noch nicht geantwortet. Damit zu rechnen war auch lächerlich, zumal er sein Handy nur minutenweise einschaltete. Er würde ihre SMS erst bekommen, wenn er seinerseits wieder eine schicken wollte.
«Nachrichten von den Kindern?»
Hatte Florin es also doch bemerkt. Hastig schob sie das Handy in ihre Tasche zurück. «Nein. Ist auch gut so. Wenn niemand sich meldet, ist alles in Ordnung.»
Er sah sie prüfend von der Seite her an. «Warum bist du so nervös?»
«Bin ich das?»
«Du wirkst so.» Die nächste Ampel war rot, er kuppelte aus und wandte sich ganz zu Beatrice um. «Hast du schon zu Abend gegessen?»
Meine Güte, essen. Jetzt, da Florin es erwähnte, fühlte sie das leere Ziehen in der Magengegend, aber ohne dass sich auch nur ein Hauch von Appetit einstellte. «Nein, noch nicht. Ist egal, ich habe Brot und Schinken zu Hause. Das reicht vollkommen.»
«Finde ich nicht.» Die Ampel schaltete auf Grün. «Wir sollten uns gelegentlich etwas Gutes tun.» Er fuhr langsam weiter, die Augen wieder auf die Straße gerichtet, mit einem Blick, der zwischen nachdenklich und besorgt wechselte. «Das fällt mir jedes Mal auf: Wenn wir in einem schwierigen Fall stecken, reduzierst du deine Bedürfnisse auf ein Minimum. Essen, Trinken, Schlafen – alles nicht mehr wichtig.»
«Gut für die Figur», murmelte sie. Es hörte sich kläglich an und war Florins ehrlichen Worten nicht angemessen. Sie wünschte sich, sie hätte es zurücknehmen können.
«Ich mache keine Scherze, Bea.» Er setzte den Blinker und bog auf die Alpenstraße ein. «Ich möchte, dass wir jetzt den Computer in Stefans Büro bringen und danach etwas essen gehen. In Ruhe, ohne über den Fall zu sprechen. Oder noch besser: Wir fahren zu mir. Ich habe Roastbeef zu Hause, jede Menge Hühnersalat, und wenn du etwas Warmes willst, auch ein wirklich großartiges Chili con Carne.»
Der Vorschlag weckte neben dem Hungergefühl noch ein zweites in Beatrice, das sie keinesfalls aus der Nähe betrachten wollte.
«Danke, aber ich bin ziemlich müde, und morgen müssen wir beide früh raus und … wer weiß, ob es Anneke recht wäre.»
Das brachte ihr einen verwunderten Blick ein. «Wieso sollte sie etwas dagegen haben?»
Stimmt, ich bin ja keine Frau, lag es Beatrice auf der Zunge, doch sie sagte es nicht, lachte nur und hoffte, dass es leicht klang und nicht so verkrampft, wie sie sich fühlte.
Florin parkte schweigend ihr Auto neben die anderen des Fuhrparks, zog den Schlüssel ab und wischte sich eine der widerspenstigen dunklen Haarsträhnen aus der Stirn. «Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich jetzt glauben, du vermutetest bei mir andere Absichten als die, dir eine vernünftige Mahlzeit aufzudrängen.» Er lächelte, seine Zähne waren das einzig Helle im unbeleuchteten Auto.
«Irrtum, das habe ich keine Sekunde lang gedacht. Es ist nur …»
«Ein paar Minuten Leben pro Tag sind wichtig. Sonst knicken wir irgendwann ein. Essen, ein Glas Wein, gute Musik und für eine halbe Stunde über etwas anderes als Morde sprechen.»
Sie schloss die Augen. «Okay.»
Florins Wohnung lag nahe der Altstadt und war definitiv nicht die eines Polizisten. Vor ungefähr einem Jahr war Beatrice schon einmal hier gewesen und hatte ihn gefragt, ob er Schmiergelder nahm, um sich eine solche Bleibe leisten zu können. Das hatte er verneint, doch die Wahrheit war ihm mindestens ebenso unangenehm gewesen: eine reiche Familie und eine verstorbene Großmutter, die ihm nicht nur Bargeld, sondern auch dieses Penthouse hinterlassen hatte.
Beim Eintreten empfing sie der Geruch nach Acrylfarbe. Florin öffnete als Erstes Fenster und Terrassentüren, in der Zwischenzeit suchte Beatrice sich einen Platz auf der riesigen Sitzlandschaft.
Weiß bezogen, alles. Sie imaginierte sich Jakob mit seinen Schokoladefingern herbei, Mina mit ihren Filzstiften, und musste unwillkürlich lachen. Nein, Florin verfolgte keine Absichten, was sie betraf, ganz sicher nicht.
Sie suchte mit den Augen die Wände ab, den Mauervorsprung über dem offenen Kamin, die antiken oder zumindest auf antik gemachten Bücherregale – nirgendwo ein Foto von Anneke. Die waren wahrscheinlich im Schlafzimmer, wo sie hingehörten. Beatrice streckte
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