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Für alle Fragen offen

Titel: Für alle Fragen offen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Reich-Ranicki
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Abhandlung über Das Judentum in der Musik hat er sehr scharf reagiert. An den verheerenden Folgen des Romans Soll und Haben hat das nichts mehr ändern können.
    Ich kann mich schwerlich damit abfinden, dass der am »allgemeinen Geschehen« interessierte Leser die antisemitischen Elemente in Soll und Haben einfach ignoriert oder bestenfalls bagatellisiert.

    Was halten Sie von der Bühnenbearbeitung von Romanen?
    Diese Frage ist mir schon mehrfach gestellt worden. Das zeugt wohl davon, dass manche unserer Leser unsicher sind, wie man solche Produkte der Literatur beurteilen sollte. Um es gleich zu sagen: nicht etwa ablehnend, aber doch skeptisch. In den meisten Fällen sind es weltberühmte Romane, die man gern auf die Bühne bringt, also Romane beispielsweise von Honoré de Balzac ( Eugénie Grandet ), Gustave Flaubert ( Madame Bovary ), Leo Tolstoi ( Krieg und Frieden ), Fjodor Michailowitsch Dostojewski ( Verbrechen und Strafe , früherer Titel Schuld und Sühne ). Die Intendanten greifen zu diesen Romanen, wenn sie den Eindruck haben, dass der Vorrat an klassischen Dramen wieder einmal erschöpft ist. Manche Aufführungen von Romanbearbeitungen gehen auf Vorschläge oder Bitten bekannter Schauspielerinnen zurück. Ob die szenische Fassung besser oder schlechter ist – man sollte sie befürworten, wenn sie zur Folge hat, dass Leser, die diesen oder jenen berühmten Roman bisher nicht gelesen haben, das jetzt nachholen. Allerdings sollte man sich keine
Illusionen machen: Ich kenne keinen einzigen Roman, der einen ständigen Platz auf der Bühne gefunden hätte, es sei denn, es handelt sich um Opern. Doch wer liest nach einer Bohème -Aufführung den Roman von Henri Murger, der der Puccini-Oper zugrunde liegt? Ich jedenfalls kann diese Lektüre nicht empfehlen.

    Schreiben berauschte Schriftsteller bessere Bücher? Schreiben Sie manchmal im Rausch? Oder gibt es klares Schreiben nur mit klarem Kopf?
    Ich glaube nicht, dass berauschte Schriftsteller bessere Bücher schreiben, ich habe noch nie versucht, etwas Ernstes im Rausch zu schreiben, ja, ich bin überzeugt davon, dass man klar nur mit klarem Kopf schreiben kann. Damit könnte ich meine Antwort abschließen. Aber ich erinnere mich an einen kleinen und wichtigen Aufsatz von Thomas Mann. Als er einmal eine Novelle (ich glaube, es war die Schwere Stunde ) unbedingt noch nachmittags fertig machen musste, habe er eine halbe Flasche Champagner zu Hilfe gezogen. Dies kommentierte Thomas Mann so: »Aber es handelte sich dabei weniger um Stimulation als um Beruhigung … Im Allgemeinen halte ich nicht das Geringste von der ›Inspiration‹ durch Alkohol – ich glaube nicht daran.« Es gibt Situationen, in denen der Alkohol in ganz kleinen Mengen dem Schriftsteller zu helfen vermag. Er kann seine Hemmungen, seine Skrupel und Bedenken nicht beseitigen oder betäuben, aber reduzieren oder einschränken.

    Finden Sie es gut, dass nach dem Tode von Schriftstellern ihre Briefwechsel veröffentlicht werden?
    Soll damit etwa behauptet werden, dass posthume Briefpublikationen immer üblich seien? Offenbar, nur stimmt es nicht. Von den meisten Schriftstellern werden nach ihrem Tod keine Briefe gedruckt. Es ist weder möglich noch nötig. Auch dann nicht, wenn diese Autoren ausdrücklich verfügt haben, dass die Veröffentlichung ihrer Briefe erfolgen soll. Es muss sich ja noch jemand finden, der dies zu finanzieren bereit ist.
    Dass die meisten Sammlungen lediglich eine Auswahl der erhaltenen Briefe sind, versteht sich von selbst. Denn manche Briefe mögen zwar für die Wissenschaftler von Bedeutung sein, doch nicht für das Publikum. Von allgemeinem Interesse ist natürlich die Korrespondenz der ganz großen Autoren, von Goethe und Schiller, von Lessing und Hölderlin, von Thomas Mann oder Franz Kafka. Thomas Mann hat seine Briefe von einem bestimmten Zeitpunkt an mit dem Blick auf die Nachwelt geschrieben, nein, diktiert. Das wissen wir von seinen Sekretärinnen, die übrigens
verblüfft waren, dass er das einmal (in der Regel ziemlich rasch) Diktierte beinahe nie zu korrigieren brauchte. Es gibt Briefe von ihm, die in Wirklichkeit nicht von ihm stammen, sondern von seiner Frau. Thomas Mann war, zumal in der Emigration, häufig überlastet, die fleißige Ehefrau half aus. Und sie imitierte seinen Stil so glänzend, dass Thomas Mann nach Jahren in manchen, sehr seltenen Fällen nicht sicher erkennen konnte, wer sie denn nun in Wirklichkeit verfasst hatte.
    Von ganz anderer

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