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Fuer den Rest des Lebens

Fuer den Rest des Lebens

Titel: Fuer den Rest des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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Arbeit gerettet, aber in der letzten Zeit habe ich die Kraft verloren, die Hoffnung. Doch der Mann neben ihm hat noch Hoffnung, wie sich zeigt, denn mit leiser Stimme sagt er zu seiner Frau, ich weiß, und es scheint, als sei sein Wissen, ihrer beider Wissen, dazu bestimmt, das zu besiegen, was die Ärzte wissen, die Forschungsergebnisse, die Statistiken, ich weiß, dass es keinen Grund zur Sorge gibt, ich weiß, dass ich mich gleich besser fühlen werde.
    Er trägt einen schmalen Ehering, den gleichen wie seine Frau, und beide Ringe glänzen an ihren Händen, als hätten sie erst gestern geheiratet, und auch ihre Augen glänzen. Ist es die Nähe des Todes, die ihre Liebe belebt, oder ist es ein neues Paar, das am Beginn seines Wegs dem Tod ins Gesicht schauen muss? Auch wenn sie nicht mehr so jung sind, scheint ihre Liebe jung zu sein, und schon versucht er, sich ihr Leben vorzustellen, beide lebten einsam, bis ihre Wege sich auf wundersame Weise trafen, oder im Gegenteil, beider Familien zerbrachen, um diese kurze Liebe zu verwirklichen, die vor seinen Augen gefällt wird. Schon immer wurde sein Herz vom Theater angezogen, und hätte er es nicht auf sich genommen, den Traum seines Vaters zu erfüllen und Jura zu studieren, wäre er jetzt vielleicht dort, und nun trauert er seinem Wunschtraum nach, denn diese beiden Ehepartner sind nichts anderes als leere Figuren, die darauf warten, dass man ihnen eine Biographie erfindet, doch da wendet die Frau das Gesicht und wischt sich mit dem Finger, den ein Ehering schmückt, eine Träne ab, und dabei trifft ihr Blick den seinen. Sie scheint ihn jetzt erst zu bemerken, obwohl er sehr langsam und vorsichtig den Vorhang weiter aufgezogen hat, voller Sehnsucht, die Trennwand zwischen ihnen ganz verschwinden zu lassen, sie hat aber nicht aus Interesse das Gesicht zu ihm gewendet, sondern um ihr plötzliches Weinen zu verbergen, ein unterdrücktes Weinen, das trotzdem deutlich zu sehen ist, und sie hebt die Schulter, um mit ihrem kurzen Ärmel die Tränen zu trocknen, und als es ihr nicht gelingt, senkt sie den Kopf und zieht den Rand ihrer Bluse zu den Augen, und dabei entblößt sie ihren glatten Bauch, und auf ihrer Bluse zeigen sich schnell Flecken von Feuchtigkeit und von ihrer schwarzen Wimperntusche. Avner zieht ein Papiertaschenruch heraus, mit dem er am Morgen sein eigenes, sonderbares Weinen abgewischt hat, im Bett seiner Mutter, als sie vor dem Fenster auf dem Boden lag, ein Taschentuch, das er aus der Schachtel auf dem Medikamententisch im Zimmer seiner Mutter gezogen hat, diesem dummen, prächtigen Tisch, den seine Schwester so liebte, und mit weicher Hand hält er es der Frau ihm gegenüber hin, die versucht, ihm dankbar zuzulächeln, aber ihre Lippen zittern, und nachdem sie sich so gründlich die Tränen getrocknet hat, dass sie sich fast die zarte Haut unter den Augen aufriss, stopft sie das Taschentuch in eine Tasche ihrer hellen Hose und dreht sich erneut zu dem Kranken um, zeigt ihm, Avner, wieder den Rücken, und er betrachtet sie und denkt erstaunt daran, dass ihrer beider Tränen sich in diesem Papiertaschentuch mischen.
    Und wenn ich es wäre, der sterben muss, und meine Frau säße an meinem Bett, fragt er sich, würde das nahe Ende auch unsere Liebe neu entfachen? Vermutlich nicht, denn er kann jetzt schon die Kraft des Zorns fühlen, der wie eine enorme Welle durch die Krankenhausgänge fluten würde, seines Zorns auf sie, weil sie es bis zu seinem letzten Tag nicht zugelassen hat, dass er sich von ihr befreite, und des Zorns auf sich selbst, weil er letztlich immer nachgab, und auch wenn er sie sich auf dem Sterbebett vorstellt und nicht sich selbst, wird sein Zorn nicht geringer, denn auch ihre Krankheit, falls sie erkrankte, und ihr Tod, wenn sie stürbe, wären gegen ihn gerichtet, um ihm den Rest seines Lebens mit bitteren Erinnerungen und mit Schuldgefühlen gegenüber den vorzeitig Verwaisten zu verminen. Ja, er war und ist für alle Zeiten gefangen, er hat sich zu jung an sie gebunden, er war nicht auf den Gedanken gekommen, dass die erste Liebe zu einem Mädchen mit kurzen Haaren, die sich vor allem durch jugendliche Neugier und den Wunsch, seiner Mutter zu entkommen, auszeichnete, zu einem Käfig werden könnte, in dem er ein Leben lang herumflattern würde, unfähig, sich zu befreien, und unfähig, sich daran zu gewöhnen, manchmal ist es ihm fast gelungen, seinen Körper durch das Gitter zu drängen, doch immer ist ein Bein oder ein Arm in

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