Fuer den Rest des Lebens
distanzierten Blick, er sehnt sich nur danach, hier wegzukommen, und das ist der einzige Weg.
Entschuldigen Sie, er versucht, die Aufmerksamkeit einer Schwester zu wecken, was ist mit dem Arzt? Wie lange wird es noch dauern? Doch sie fährt ihn im Vorbeigehen an, es dauert, so lange es eben dauert, glauben Sie mir, der Arzt vertreibt sich jetzt nicht die Zeit mit Spielen, er trinkt auch keinen Kaffee, und er, getadelt, schweigt, senkt den Blick auf den Bauch. Bis vor einigen Jahren, als er noch manchmal zu Fernsehsendungen eingeladen wurde, war er in der Öffentlichkeit ganz anders behandelt worden, selbst wenn man ihn nicht nach dem Namen erkannte, hatte sein Gesicht doch ein gewisses Erstaunen hervorgerufen. Man hatte ihn zögernd angelächelt, Sie kommen mir bekannt vor, und dann, in einem plötzlichen Anflug des Erkennens, ach ja, ich habe Sie gestern im Fernsehen gesehen, der Rechtsanwalt der Beduinen, stimmt’s?
Nicht nur der Beduinen, hat er jeden korrigiert, von jedem, dessen Rechte missachtet werden, und sofort einen anerkennenden Blick geerntet, nur seine Frau versäumt keine Gelegenheit, ihn zu verspotten, Ritter der Menschenrechte, sagt sie kichernd, ein Robin Hood, und was ist mit meinen Rechten? In ihren Augen war er immer schuldig, genau wie in den Augen seiner Mutter.
Was für eine Gesetzlosigkeit, erst gestern ist er beschämt vom Gericht zurückgekommen. Er hatte eine Revision gefordert, eine Wiedereinsetzung in den vorigen Zustand, und das Gericht hatte seinen Antrag abgelehnt, ohne auch nur einen Blick in die Unterlagen zu werfen. Die Sache hatte sich erledigt, die Tatsachen waren bereits geschaffen und nicht mehr zu ändern, und als er das Gericht verließ, glühte seine Stirn, nur mit Mühe schleppte er sich zu einer Bar, um sich zu beruhigen, bevor er Schlomit und den Jungen gegenübertrat. Wie oft strengt man sich vergeblich an, und was für eine Dummheit ist es, ein Urteil zu fordern, das den vorigen Zustand wieder einsetzt, gibt es auf der Welt überhaupt die Möglichkeit, einen vorigen Zustand wieder einzusetzen?
Dabei war auch der ursprüngliche Zustand unerträglich, baufällige Zelte am Rand der Straße, die sich bis zum Toten Meer hinunterschlängelt, ein paar wacklige Blechbaracken. Es gibt keine wandernden Hirten mehr, die mit ihren Herden durch die Wüste ziehen und ein freies Leben führen, im Sommer Richtung Nablus und im Winter in der judäischen Wüste. Von der Freiheit ist nichts übrig, es ist erbärmlich, die Weideflächen verschwinden, sie leben wie Zigeuner an den Rändern der Städte, arbeiten als Müllmänner und Reinigungskräfte, werden zu Dieben, zu Geistern, und er sitzt unter ihnen und isst, versenkt die Hände in den Mahlzeiten.
Chemda Horowitz, er schüttelt sich plötzlich, als eine männliche Stimme den Namen seiner Mutter sagt, als fordere er sie auf, eine Ehrentribüne zu betreten. Ja, antwortet er schnell, als habe man seinen Namen gerufen, und steht aus irgendeinem Grund auf, ja, das ist meine Mutter, erklärt er, und der Arzt wirft ihm einen uninteressierten Blick zu, er ist groß, sieht gut aus, jünger, als er ist, sein kühler Blick markiert eine unüberwindliche Distanz. Was ist passiert, fragt er, und Avner macht sich daran, ausführlich, wie vor Gericht, die Veränderungen seiner Mutter in den letzten Jahren zu erklären, doch der Arzt unterbricht ihn, was ist heute Morgen passiert?
Sie hat mich angerufen, bestimmt hat sie vorher versucht, meine Schwester zu erreichen, fügt er unnötigerweise hinzu, sie hat mich angerufen und ich habe sie atmen gehört, aber sie hat nicht geantwortet, und als ich hinkam, habe ich sie auf dem Fußboden gefunden, neben dem Fenster, einen Moment lang hatte ich Angst, sie würde nicht mehr leben, ich habe sofort einen Krankenwagen gerufen, sie war bereits ohne Bewusstsein, aber sie hat vorher noch meine Nummer gewählt. Er spricht für sie, und es kommt ihm vor, als würde die Richterin jetzt zuhören, als würde sie ihn hinter dem Rücken des Arztes anschauen, als versuche sie, ihn zum Stolpern zu bringen. Bist du schnell gekommen, spottet sie, hast du unterwegs nicht angehalten, auch nicht für eine Minute, um deinen Espresso zu trinken, und als du sie auf dem Boden liegen gesehen hast, vor dem Fenster, hast du da nicht einen Hauch von Erleichterung gespürt, ein warmes Erschauern, das sich wie Scham über den Körper breitete, und nachdem du den Krankenwagen bestellt hast, hast du dich nicht in ihr Bett gelegt
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