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Fuer den Rest des Lebens

Fuer den Rest des Lebens

Titel: Fuer den Rest des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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seltsamerweise voller Friseurgeschäfte ist, daneben ein Gemüsehändler, ein Brotladen. Hier gibt es offenbar nichts Besonderes, einfach ein weiteres Viertel in einer weiteren Stadt in einem weiteren Staat, und trotzdem hängen schwere Probleme über uns, häufen sich auf dem zerfetzten Plastikdach, wir sind alle Bewohner eines Kriegsschauplatzes, auch wenn es hier noch so viele Friseurgeschäfte gibt. Ich möchte mich wieder in dich verlieben, summt er, als er das duftende Tablett in die Hand nimmt, eine erneuerte Liebe, tiefer als eine neue Liebe, ich möchte mich wieder in dich verlieben, sagt er leise zu seinem Sohn, der ihm demonstrativ widerwillig die heiße Pizza aus der Hand nimmt.
    Warum stellst du dich so an? Nicht weit von hier droht einem Jungen, der so alt ist wie du, die Ausweisung, möchte er ihn anfahren, aber sofort beißt er sich auf die Lippe, was hat Tomer damit zu tun, wie sollte er es wissen, du hast ihm ja nie etwas erzählt, Schlomit hat ihn immer zum Schweigen gebracht, nicht vor dem Jungen, nicht vor den Kindern, um sie nicht traurig zu machen, es lohnt sich nicht, in ihnen Zweifel an dem Staat zu wecken, in dem sie geboren sind und für den sie eines Tages kämpfen werden, aber auch wenn er versuchte, Schlomit an irgendwelchen Details teilhaben zu lassen, fand sie Vorwände, um ihn zum Schweigen zu bringen, ein Ritter für die Menschenrechte, lästerte sie, und was ist mit meinen Rechten?
    War sie eifersüchtig auf seine Mandanten, denen er sich so selbstlos widmete, wie er sich ihr nie gewidmet hatte, war sie neidisch auf die Befriedigung und den Erfolg, den er jahrelang genossen hat? Sie war immer misstrauisch gegen ihn, zweifelte an seinen Motiven, bis er schließlich aufhörte, ihr etwas zu erzählen, seine Arbeit, Papas Arbeit, wurde in der Familie zu etwas Feindlichem, obwohl sie doch alle von ihr lebten, und er hat sich nie gewehrt, doch jetzt, vor seinem kauenden Sohn, sprudeln die Worte überraschenderweise aus ihm heraus, auf eine so natürliche Art, als hätten sie seit Jahren auf diese Gelegenheit gewartet, auf diesen Moment, in dem er vor seinem ältesten Sohn sitzt und mit ihm spricht, es tut mir wirklich leid, dass ich mich verspätet habe, Tomeri, ich habe vergessen, auf die Uhr zu schauen, bei mir war eine Frau, die dringend meine Hilfe braucht, weil man sie aus Israel ausweisen will.
    Warum will man sie ausweisen, was hat sie getan?, fragt sein Sohn und legt die Pizza auf den Tisch, und er erklärt ihm die ganze Geschichte und erwähnt dabei auch andere Fälle, um die er sich gekümmert hatte, andere Leute, denen zu helfen ihm gelungen ist, und ab und zu unterbricht ihn sein Sohn und stellt eine vernünftige Frage, voller Mitleid und Empathie, und durch sein Interesse wird er dazu ermuntert, weiterzuerzählen, und während er vor seinem Sohn seine Welt ausbreitet, erfüllt ihn ein nie gekannter Stolz. Ja, Tomeri, es stimmt, dass ich oft schlecht gelaunt war und mit Mama gestritten habe, es stimmt, dass ich nicht immer geduldig und aufmerksam war, es stimmt, dass ich nicht für dich da war, und trotzdem ist es mir manchmal gelungen, der Gerechtigkeit zu dienen und Unrecht auszugleichen, und darauf kann ich stolz sein, ausgerechnet heute, da mir schlimme Sachen vorgeworfen wurden, kann ich dir ins Gesicht schauen und zufrieden sein, und du siehst mich aufgeregt an, denn auch du möchtest stolz auf deinen Vater sein, du möchtest ihn besser kennenlernen.
    Iss, mein Schatz, sagt er dann, deine Pizza wird kalt, aber sein Sohn, der Vielfraß, hat jedes Interesse an der Pizza verloren, er hängt ihm an den Lippen, und am Schluss schaut er ihn zögernd an, fährt sich mit der Hand über die fettigen Haare und verkündet im Ton eines Erwachsenen, wenn ich Richter wäre, würde ich sie auffordern zu schwören, dass sie ihren Bruder nicht mehr treffen wird. Denn wenn sie ihn trifft, könnte es wirklich gefährlich werden, aber wenn sie es verspricht, würde ich sie hier bleiben lassen, und erst dann nimmt er einen Schluck von seinem Saft, langsam und nachdenklich, und Avner sagt gerührt, du könntest wirklich Richter werden, Tomeri, es ist sehr schön, dass du beide Seiten sehen kannst, und sein Sohn lächelt verlegen, daran habe ich mich gewöhnt, zu Hause, mit dir und Mama, ich habe mich daran gewöhnt, beide Seiten anzuschauen, damit ich euch beide weiter liebhaben kann, und Avner steht auf und zieht ihn an sich, mein Junge, mein lieber Junge, das ist alles, was er herausbringt,

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