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Fuer den Rest des Lebens

Fuer den Rest des Lebens

Titel: Fuer den Rest des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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Größe des Rätsels, die weite Entfernung, eine Reise nach Sibirien, mitten im Dezember, um dort einen kleinen, zweijährigen Jungen zu treffen, kannst du seine Mutter sein, und sie schaltet den Computer ein, mach, dass ich es weiß, sagt sie leise, dass ich das Foto sehe und weiß, das ist mein Kind, dass ich ihm in die Augen sehe und weiß, das ist mein geliebter Sohn, nach dem ich mich gesehnt habe. Ihre Hände zittern über der Tastatur, sie betrachtet die Buchstaben, ein grelles Licht erhellt den Balkon und sofort danach donnert es, und zu ihrem Erschrecken geht der Bildschirm vor ihren Augen aus, auch die Straßenlaterne, vermutlich hat der letzte Blitz einen Kurzschluss in der Stromleitung verursacht. Den meisten Bewohnern der Straße ist das wohl egal, sie schlafen in ihren warmen Betten, doch für sie ist es unerträglich, sie wartet auf das Kind, sie glaubt, wenn sie das Bild sieht, wird sie es wissen, sie hofft, dass ihre Zweifel sich auflösen, aber sie muss warten, und vielleicht ist es gut so, vielleicht soll sie zusagen, ohne etwas zu wissen, ohne etwas gesehen zu haben.
    Die Straßenlaterne geht wieder an und mit ihr der Computer, Kind, Kind, Kind, sagt sie, wie lang ist dein Weg zu meiner Mailbox. Da ist er endlich, du brauchst die Mail nur zu öffnen und siehst ihn, da ist er, auf dem Bildschirm erscheint ein kleiner Junge, er steht da, mit einem Buch in der Hand, seine Haare sind hell und dünn, das Gesicht länglich, mit dunklen, eng zusammenstehenden Augen, er schaut sie an, ohne zu lächeln, seine Stirn ist hoch, das Gesicht starr, er ist ernst und düster, er ist fremd. Er sieht Nizan nicht ähnlich, wie sie gehofft hat, er sieht dem verlorenen Zwilling nicht ähnlich, der in ihrem Kopf weiterlebt, er sieht ihr und Gideon nicht ähnlich, er ist nicht süß, er ist nicht gefällig, er möchte nicht gestreichelt werden, er sieht aus, als habe er sich damit abgefunden, im Stich gelassen zu werden, er sieht aus, als sage er, ich komme auch ohne dich zurecht, er wird es ihr nicht leicht machen, er wird ihr kein Zeichen geben.
    Wieder betrachtet sie ihn aufmerksam, vom Kopf bis zu den Füßen in roten Mädchensandalen und weißen Söckchen, er trägt eine helle, geschneiderte Hose wie ein kleiner Mann, und sein Hemd mit Streifen aus einem verwaschenen Grün und Weiß ist ihm zu groß. Ein bitteres Lächeln erscheint auf ihren Lippen, als sie sich an das Hemd ihres Bruders erinnert, ist dies das Zeichen, auf das sie gewartet hat? Sie sieht ihn vor sich, ihren schönen Bruder, wie er über die Wiese in die Arme ihrer Mutter rennt, hört sein perlendes Lachen, und sie steht daneben, betrachtet ihre Liebe mit harten Augen, wie Eis ist sein Blick, hat sie ihre Mutter und ihren Bruder mit solchen Augen angeschaut? Kann er lächeln, hat er überhaupt jemals gelächelt?
    Noch nie hat sie einen solchen Jungen gesehen, er ist überhaupt kein Kind, er ist ein kleiner Erwachsener, zweifelnd und ernst, er ist es, der sie prüft, er sucht ein Zeichen und sie zieht sich unter seinem Blick zusammen, denn das ist der Moment der Wahrheit, nur wenn du vor ihm stehst, wirst du verstehen, was für einen Fehler du machst, was für eine Auseinandersetzung dich erwartet. Erst dann wirst du verstehen, wie weit die Realität von deinem Traum von inniger Wärme und Weichheit entfernt ist, ich kenne dich, deine Kraft reicht nicht, und sie trennt sich von dem Bild und öffnet die zweite Mail mit vielen Fachausdrücken, von denen sie die meisten nicht versteht, die genauen Ergebnisse unzähliger Untersuchungen und Tests, von Impfungen und Krankenhausaufenthalten, und als sie versucht, sie zu entziffern, erschrickt sie und kehrt zu dem Bild zurück, das ihr nach dieser kurzen Trennung schon vertrauter vorkommt. Wer bist du, Junge? All diese Details erzählen nichts über dich, dann und dann bist du geimpft worden, dann und dann hat man dich untersucht, aber wer bist du? Und liegt mein Schicksal nicht weniger in deinen Händen als deins in meinen, und sie betrachtet das Buch, das er in seinen kleinen Händen hält, auf den Einband ist eine majestätische weiße Katze gemalt, mit einer schwarzen und einer braunen Pfote, genau wie Hase, ihr Kater, wieso ist ihr das nicht vorher aufgefallen? Ist das das Zeichen? Kann man sich vor einer derart großen Entscheidung mit einem so kleinen Zeichen begnügen?
    Im Licht eines Blitzes sieht es aus, als erbleiche der Junge, und sie streckt einen Finger nach seiner Wange aus, gleich wird es

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