Fuer dich mein Glueck
Cremeschnittchen gefiel ihr ganz und gar nicht. „Ich bin hier geboren und aufgewachsen.“
„Sonnet. Was zum Teufel ist das denn für ein Name?“
„Meine Mom war ein großer Shakespeare-Fan, als sie mich bekam. Mein Geburtstag ist im Mai, also hat sie mich nach dem Sonett Nummer 18 benannt. Kennst du es?“
„ Soll ich dich mit einem Sommertag vergleichen “, zitierte Jezebel, und sofort nahm ihre Stimme den Tonfall und die Rhythmik an, für die sie so berühmt war. „ Du bist lieblicher und frischer weit, durch Maienblüten raue Winde streichen. Und nur kurz währt des Sommers Herrlichkeit. Zu feurig oft lässt er sein Auge glühen . Meintest du das?“
Sonnet war überrascht und bezaubert von Jezebels ganz eigener Art, das Sonett zu rezitieren. „Genau das.“
Jezebel schniefte. „Tu doch nicht so schockiert.“
„Ich bin nicht schockiert, aber beeindruckt. Ich habe Shakespeare in der Schule gehabt, aber ich kann mich an kaum etwas erinnern.“
„Tja, ich hab’s nicht in der Schule gelernt.“
„Sondern freiwillig zu Hause?“
Jezebels Lachen klang wie ein lautes Donnergrollen. „Auf der Bedford Hills Schule für junge Damen habe ich’s gelernt.“
„Oh, ja das ist sehr beeindruckend. Ich hoffe, ich höre noch mehr von dir.“ Bedford Hills war ein Hochsicherheitsgefängnis für Frauen in Westchester County. Sonnet erstaunte es, dass Jezebel hinter Gittern Shakespeare auswendig gelernt hatte. Vielleicht hatte sie da auch gelernt, ihre Haltung wie ein Schild vor sich herzutragen. Und vielleicht hatte sich dort auch ihre Wut zu dieser rauen Schale verhärtet.
„Du bist hier geboren und aufgewachsen?“, Jezebel sah aus dem Fenster auf das winzige Zentrum von Avalon und seine alten Backsteingebäude, seine überquellenden Blumenkästen an den Fenstern und seine bunten Markisen. An einem sonnigen Tag wie diesem war die Stadt unglaublich hübsch und strahlte den Zauber vergangener Zeiten aus. Jezebel verzog abwertend die Lippen.
„Ganz genau“, bestätigte Sonnet. „Es ist hier nicht sonderlich aufregend, aber gerade das mögen die meisten Leute.“ Sie persönlich liebte es, neue Orte zu erkunden. Es war ein tolles Gefühl, aus einem Taxi oder einem Zug auszusteigen und eine ganz neue Welt zu entdecken. Bei dem Gedanken daran überfiel sie ein Bedauern. Sie hätte in diesen Tagen genau das erlebt, wenn sie ihr Stipendium angenommen hätte. Sonnet unterdrückte das Gefühl. Sie war wegen ihrer Mutter hier, und im Moment gab es nichts Wichtigeres.
„Und wohnst du immer noch hier?“, fragte Jezebel.
„Ich habe in New York gelebt und bin gerade erst wieder zurückgezogen.“
„Hast du denn in New York auch in dieser Branche gearbeitet?“
„Nein, weiß Gott nicht. Ich habe für die UNESCO gearbeitet, eine Unterorganisation der UN.“
„Und das hast du aufgegeben, um persönliche Assistentin zu werden?“
„Für den Augenblick ja.“
„Warum?“
Sonnet bog auf die Seestraße ein. „Persönliche Gründe“, antwortete sie knapp.
„Huh. Sag mir doch, dass es mich nichts angeht.“ Jezebel schniefte wieder.
„Nein“, Sonnet hielt inne. Ihr wurde mit einem Mal bewusst, dass sie gefilmt wurden. „Ich bin zurück, weil meine Mom schwanger ist. Sie ist älter als die meisten werdenden Mütter, also handelt es sich um eine Risikoschwangerschaft.“
„Ich habe eine Halbschwester, die halb so alt ist wie ich“, sagte Jezebel. „Das ist zwar nett, fühlt sich aber nicht wie eine echte Schwester an.“
Sonnet schaute weiter auf die Straße und fragte sich, wie viel sie erzählen sollte. Wenn es um Krebs ging, spielte immer eine gewisse Scham mit. Die Menschen senkten die Stimmen und flüsterten hinter dem Rücken. Dabei gab es keinen Grund, sich zu verstecken. Aber das ist es nicht, sagte sie sich. „Und es gibt noch einen Grund“, fuhr sie fort. „Meine Mom hat gerade erfahren, dass sie Krebs hat. Also möchte ich jetzt für sie da sein.“
„Wow“, raunte Jezebel. „Das ist ja mal echt Scheiße, Mann.“
„Stimmt“, sagte Sonnet. „Das ist echt Scheiße.“
„Sie wird wieder gesund.“ Das war keine Frage.
Sonnet sah Jezebel an. Der mürrische Ausdruck war aus ihrem Gesicht verschwunden. „Das ist der Plan. Ich bin hier, um sie dabei so gut es geht zu unterstützen.“
„Du kannst eine Menge machen“, sagte Jezebel. „Glaub mir, ich weiß das.“
„Du weißt was?“
„Wie wichtig Familie ist. Meine hätte mich gerettet.“
Sie sprach so leise, dass
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