Fuer dich mein Glueck
unzählige Male hier gewesen, aber heute stockte selbst ihr der Atem. Sie sah auf den zum Ufer abfallenden Rasen. Hier hat er meine Hand genommen, dachte sie. Ihr lief ein Schauer über den Rücken, als sie zum Bootshaus blickte. Und dort hat er mich geküsst, haben wir uns geliebt. Die Gedanken strömten wild und unkontrollierbar in ihren Kopf. Es war nur ein einziges Mal, und es war ein Fehler, sagte sie sich. Ein großer, süßer, köstlicher Fehler. Sie sollte schon seit Monaten darüber hinweg sein und die Erinnerungen in die hinterste Ecke ihres Kopfes verbannen.
Ihre Mitfahrer stiegen aus dem Van. Sonnet schüttelte die Gedanken an die Vergangenheit ab und konzentrierte sich auf die Gegenwart. Jezebel blickte abschätzend über die schönen Waldwege um sie herum, die rustikalen Hütten und Außengebäude sowie die Stege, die auf den glitzernden See hinausführten. Sonnet versuchte, Jezebels Stimmung zu deuten. Die Frau war ohne Frage kompliziert, Sonnet hatte nie zuvor jemanden getroffen, der so vulgär, aber auch klug, so wütend, aber auch gefühlvoll, kurz: so überraschend war.
„Was zum Teufel ist das hier?“, fragte Jezebel in die Menge.
Sonnet wusste nicht warum, aber sie fühlte sich bemüßigt, ihr zu antworten. „Das Camp gibt es seit den 1920er-Jahren. Damals war es ein Feriendorf für die reichen Leute aus der Stadt. Heute wird es von einer Familie aus dem Ort als Ferienresort geführt. Es ist zwar ziemlich abgelegen, aber wenn man sich erst einmal an die Einsamkeit gewöhnt, kann man hier viel unternehmen.“
„Es ist bombig.“ Für einen Moment streifte Jezebel ihre zornige Stimmung ab. „Hier werde ich also wohnen.“
„Genau.“ Sonnet warf einen Blick auf ihre Notizen auf dem Klemmbrett. „Du wohnst mit den Kids in der Saratoga Cabin. Für dich ist das Betreuerzimmer hinten vorgesehen, da hast du ein wenig Privatsphäre.“ Sie merkte, dass Zach ihre Erklärung mit der Kamera festhielt. „Macht es dir etwas aus? Ich muss mich hier erst einmal zurechtfinden.“
„Fahr fort“, sagte er, ohne mit dem Filmen aufzuhören. „Du machst das super.“
„Hör mal, ich sollte eigentlich nicht vor der Kamera erscheinen, also wäre ich dir sehr dankbar“, Zach unterbrach sie höflich.
„Guck noch mal in deinen Vertrag, Baby. Ich wette, du hast dein Einverständnis gegeben.“ Er filmte immer noch.“
„Hast du mich gerade ‚Baby‘ genannt? Ich hoffe, ich habe mich verhört.“
„Nein. Du hast mich ganz richtig verstanden.“
„Zach!“
„Hört mal, ihr zwei“, unterbrach Jezebel sie kichernd. „Ich nehme an, ihr habt schon mal zusammengearbeitet?“
„Nein“, sagten sie beide gleichzeitig.
„Also mögt ihr es einfach nur, euch zu streiten?“ Sie wartete die Antwort gar nicht ab, sondern warf ihre Zöpfe über die Schulter und ging zu ihrer Hütte. „Na, das ist auch eine Art von Vorspiel.“
Sonnet funkelte Zach wütend an, doch der tat so, als bemerke er sie gar nicht. Sie bezweifelte langsam, ob es richtig war, während ihres Aufenthalts in Avalon für die Produktionsfirma zu arbeiten. Andererseits musste sie zugeben, dass es irgendwie auch verrückt und lustig war.
Ihr Handy vibrierte. Zu ihrer Überraschung hatte Orlando ihr eine SMS geschrieben, dass er auf dem Weg zum Willow Lake war.
„Schlechte Neuigkeiten?“, fragte Zach und schaute ihr über die Schulter.
„Wie kommst du darauf?“
„Du siehst aus, als hättest du in etwas Saures gebissen.“
„Tue ich nicht. Solltest du nicht deinem Star auf Schritt und Tritt folgen?“
„Wir machen für heute Schluss.“
„Gut. Dann treffen wir uns morgen wieder hier. Dann kommen auch die Camper.“ Sie überlegte, warum Orlando wohl persönlich hierherkam. In ihren wildesten Träumen wurde er von der romantischen Sehnsucht getrieben, sie zu sehen, weil er sie so fürchterlich vermisste.
Aber sie und Orlando waren keine Romantiker. Sie passten aber gut zusammen, und das war auf lange Sicht viel wichtiger.
Doch manchmal drängten sich ein paar bittere Fragen auf. Sie hatte sich nicht in Orlando verlieben wollen. Aber wusste sie überhaupt, was Liebe ist? Und wusste er es? Waren ihre Gefühle für ihn ehrlich? Oder war er nur Mittel zum Zweck, um die Aufmerksamkeit ihres Vaters zu erhalten, nach der sie sich ihr ganzes Leben lang gesehnt hatte?
Es war nicht schön, so über sich selbst zu denken. Dass ihr Vater sie nur in seinen inneren Kreis aufgenommen hatte, weil sie mit Orlando zusammen war. Und dass
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