Für ein Ende der Ewigkeit (Lilith-Saga) (German Edition)
gesprochen hatte, war sie immer leiser geworden – ihre letzten Worte waren kaum noch hörbar.
„Es tut mir leid, aber das ist nicht dein Bike“, antwortete ich. Ich bemühte mich, das Gesicht der Frau unter ihrem Helm besser zu erkennen.
„Aber wo ist es denn? Ich kann es nicht finden!“ Die Frau schwankte ein wenig. Langsam ließ sie ihren rechten Arm sinken. Sie blickte sich um und zupfte an ihren Fingern.
Der Polizeibeamte war inzwischen bei uns. Er fasste die junge Frau am Unterarm, um auf sich aufmerksam zu machen. „Sind Sie die Fahrerin der verunglückten Maschine? Wie geht es Ihnen?“
Beinahe im Zeitlupentempo wandte sich die Frau dem Ordnungshüter zu. „Mir geht es gut, vielen Dank.“
„Haben Sie die Maschine gefahren, die verunglückt ist?“, fasste der Polizist nochmals nach.
Die Frau zögerte, sie schien nachzudenken. Bedächtig nahm sie ihren Helm vom Kopf. Sie hatte üppiges rotbraunes Haar, das ihr bis weit über die Schultern fiel. Verwirrt blickte sie vom Polizeibeamten zu mir und wieder zurück.
„Verunglückt? Nein, ich habe keinen Unfall gehabt. Ich bin nur auf der Suche nach meiner Suzuki… Sie ist weg, müssen sie wissen … Haben Sie sie vielleicht gesehen?“
Orientierungslos drehte sie erneut ihren Kopf erst in die eine, dann in die andere Richtung und verschränkte ihre zitternden Arme vor ihrem Oberkörper. Etwas Blut sickerte in einem einzelnen dünnen Rinnsal über ihre linke Schläfe, entlang ihres Ohres und tröpfelte zaghaft auf ihre Schulter.
Auch der Polizeibeamte hatte das Blut gesehen. Mit gesenkter Stimme orderte er per Funk Sanitäter herbei. Danach wandte er sich der jungen Frau zu. „Wie heißen Sie?“
Die Frau fokussierte ihre Augen mit Mühe auf den Beamten. „Julia?“
Der Ordnungshüter lächelte sie aufmunternd an. „Prima! Julia, bitte sagen Sie mir, an was können Sie sich noch erinnern?“
„Er hat mich begleitet.“
„Wer?“
„Er hat mich begleitet und ich … ich bin ihm gefolgt.“
„Wem sind Sie gefolgt, Julia?“
„Ich bin ihm gefolgt. Seinen Augen. Er hat mich … er hat mich mitgezogen. Immer schneller …und schneller …und ...“
Der Polizist wollte erneut nachfragen, doch als er ansetzte, sprach Julia weiter.
„Mein Kopf juckt so entsetzlich. Warum juckt er nur so?“ Mit ihrer rechten Hand griff sie sich an den Hinterkopf und zog sie zurück. Verwundert betrachtete sie den Gegenstand, den sie in ihrer Hand hielt und streckte ihn uns entgegen. Er war leicht gewölbt, lange, dünne Fasern wuchsen aus ihm. Im flackernden Blaulicht glänzte er unwirklich.
Der Polizist neben mir erbrach sich. Das Ding in ihrer Hand war ein Teil ihres Hinterkopfes. Blutverschmierte Haare klebten an ihm.
Julia geriet ins Wanken und ich sprang vor, um sie vor dem Hinfallen zu bewahren. In diesem Moment waren die Sanitäter angekommen, stießen mich zur Seite und fingen sie auf. Sie legten sie in Seitenlage auf eine Bahre.
Bevor sie weggebracht wurde, versuchte sie zu reden. Es kostete ihre gesamte Kraft, aber sie hatte den unaufhaltsamen Drang, es mir mitzuteilen.
„Es war ein Vogel. Ein schwarzer Vogel. Ich konnte nicht … Seine roten Augen … ich konnte ihm nicht entkommen.“
Alle kümmerten sich nur um die Verwundete. Ich blieb neben meiner Suzi stehen, den Helm in meiner Hand und sah den Sanitätern dabei zu, wie sie um das Leben von Julia kämpften.
In meinem Inneren war alles tot. Fast glaubte ich, den Raben vor mir zu sehen, wie er rasend schnell neben mir und meinem Bike dahinflog, seine Augen in meine brannte, wie ich dann jede Kraft verlor, das Motorrad anfing zu schlingern und sich schließlich mit einem ohrenbetäubenden Lärm überschlug.
„Ist bei Ihnen alles in Ordnung?“ Es war ein anderer Polizist, der sich zu mir herunterbeugte. Er war älter. Ihm war wirklich daran gelegen, zu erfahren, wie es mir ging.
„Es geht schon“, antwortete ich.
„Sie sehen blass aus. Glauben Sie, Sie können noch fahren?“
Ich dachte an den Raben und an das, was er vor kurzem jemandem angetan hatte, der mir ähnlich sah. „Mir geht es gut. Allerdings werde ich künftig noch vorsichtiger fahren.“
„Motorradfahren ist lebensgefährlich“, stellte er mit einem resignierten Seufzer fest.
„Leider nicht nur das.“
Der Polizeibeamte sah mich nachdenklich an. Er antwortete mir nicht.
Die Streifenwagen waren zur Seite gefahren, die Straße war frei. Ich schwang mich auf meine Suzi, setzte meinen Helm auf und ließ mich
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